In unserer Reihe “Rassebeschreibungen ungeschönt” möchten wir dir im Laufe der Zeit einige beliebte Hunderassen vorstellen. Wichtig ist grundsätzlich, dass eine Rassebeschreibung ein von Menschen erdachtes Idealbild darstellt. Das heißt, dass nicht jeder Rassehund seiner Rassebeschreibung entspricht. Jeder Hund ist ein Individuum. Nicht einmal Wurfgeschwister verhalten sich immer gleich. Außerdem solltest du wissen, dass manche Rasseeigenschaften auf dem Papier zwar ganz nett klingen, in Wirklichkeit aber je nach Lebenssituation des Hundes zu unerwünschten Verhaltensweisen führen können.
Mit diesem Mindset beschreibt Sonja Meiburg den Berner Sennenhund aus ihrer Trainerinnensicht. Und auch die Mitglieder unserer Hey Fiffi-Community haben uns über ihre Erfahrungen mit dieser Hunderasse berichtet.
Die Hunderasse Berner Sennenhund kennt quasi jedes Kind, weil er so häufig vorkommt. Groß, kuschelig, dreifarbig, wirkt wie ein großer Teddybär.
Auf einschlägigen Websites (wie zum Beispiel dem VDH und auf Seiten verschiedener Züchter*innen) wird der Berner Sennenhund als „vielseitig einsetzbar“, „von grenzenloser Gutmütigkeit“, „unkomplizierter Familienhund“, „gut zu führen“ und so weiter beschrieben.
Das lässt einen vermuten, dass diese Hunderasse im Alltag einfach so mitläuft und sich das Zusammenleben völlig unkompliziert gestaltet.
Aus meiner Trainerinnensicht kann ich schon mal sagen, dass die meisten Berner Sennenhunde, die ich kenne, tatsächlich ziemlich offen, gut gelaunt und gutmütig sind. Insofern stimmt die Rassebeschreibung schon mal. Natürlich ist auch hier Vorsicht geboten: Nur weil es so viele gutmütige Exemplare dieser Hunderasse gibt, heißt das keineswegs, dass es nicht auch Berner Sennenhunde mit einem dünnen Nervenkostüm gibt, die aggressiv reagieren. Auch die gibt es wie bei jeder Hunderasse und das ist nicht einfach so wegerziehbar.
Auch unsere Community mag die sanften Großen:
- „Für jeden Spaß zu haben“
- „Immer neugierig und offen für neue Abenteuer“
Aber die Community kennt auch die Exemplare, die nicht immer so gut gelaunt sind:
- „Von Rüden höre ich oft, dass sie sehr aggressiv sein können.“
- „Unsere liebte Körperkontakt, sobald sie einmal jemanden in ihr Herz geschlossen hatte. Andererseits war sie leider auch super ängstlich in neuen Situationen, hatte eine Magendrehung, Arthrose und Probleme mit der Hüfte.“
- „Die Rüden sind oft sehr aggressiv und unverträglich mit anderen Hunden, die Hündinnen extrem schissig und unsicher.“
Abgesehen vom Charakter gibt es aber Dinge, die du beim Berner Sennenhund unbedingt bedenken solltest, bevor du darüber nachdenkst, dir einen anzuschaffen.
Der Berner Sennenhund: Er hat einfach Kraft!
So ein großer Hund hat ganz schön Kraft! Wenn sich ein Berner Sennenhund mit Schmackes in die Leine schmeißt, braucht es schon eine Menge Muskelkraft (oder eigenes Körpergewicht), um nicht von den Beinen geholt zu werden. Selbst wenn du bereits im Welpenalter mit dem Training der Leinenführigkeit beginnst, kann es trotzdem sein, dass dein erwachsener Hund mal aufgeregt reagiert und dann in die Leine springt. Und wenn du die Leine dann nicht halten kannst, kann es zu gefährlichen Situationen kommen. Das ist keine reine Erziehungsfrage, denn ist es verdammt schwer, einem Hund Leinenführigkeit beizubringen, wenn du nicht in der Lage bist, die Leine festzuhalten.
Wie die Community sagt:
- „Also wenn die mal wohin wollen, merken sie nicht mal, dass du ja auch noch an der Leine mit dran hängst“
- „Die pubertären Exemplare – und die Pubertät dauert bei Großhunden lange – sind oft auch nicht so einfach an der Leine zu führen und dann wählen die Gassigänger den einfachsten Weg: Leine los und Grüezi sagen lassen.“ (Blogbeitrag zum Thema: „Nie mehr abbeißen, als man kauen kann„)
Die Größe des Berner Sennenhundes kann Schwierigkeiten machen
Es ist tatsächlich die Größe, die oft Schwierigkeiten macht. Wenn der Berner Sennenhund Probleme mit anderen Hunden (oder sogar mit Menschen) hat, dann wird ein Spaziergang schnell zum Versuch, nicht von den Füßen geholt zu werden.
Wenn dein Hund älter wird, kann es sein, dass du ihn Treppen rauf- und runtertragen musst. Schaffst du das?
Wenn du selbst genügend Kraft hast, um deinen Hund zu halten: Was ist, wenn du mal krank wirst und jemand anderes mit deinem Hund spazierengehen muss? Kann der- oder diejenige deinen Hund auch halten?
Bist du selbst sicher auf deinen Beinen? Hast du Kinder? Es kann gut sein, dass dich dein Berner Sennenhund einfach umwirft oder Kinder einfach überrennt. Nicht aus Bösartigkeit, sondern schlicht aus Übermut. Kein Hund kann sich 24 Stunden am Tag ruhig verhalten, ohne ab und an mal die Sau rauszulassen. Kommst du damit klar, wenn mal 40 – 50 Kilo durch deine Bude schießen und über Tische und Bänke gehen?
Unsere Community sagt dazu:
- „Eher der Typ „We brake for nobody““
- „Auch glauben sie manchmal, sie seien ein kleiner Chihuahua, der auf den Schoß passt oder werfen dich einfach vor Freude mal so neben bei um und wundern sich dann, dass du da am Boden sitzt“
Die Sache mit dem Fell
Der „Vorteil“ eines so großen und schweren Hundes ist, dass sie oft nicht jagen gehen. Nicht weil sie nicht jagen wollten, sondern weil sie schlicht nicht können (das heißt aber nicht, dass ein Berner Sennenhund nicht auch mal einen Sprint hinlegen kann, wenn der Hase vor seiner Nase hochhüpft). Vor allem nicht außerhalb des Winters. Die Hunderasse Berner Sennenhund hat ein sehr dichtes Haarkleid, das ziemlich pflegeaufwändig ist. Bereits im Frühjahr wird ihm oft schon zu warm, so dass er sich nicht mehr recht bewegen mag. In unserer letzten Schulhundausbildung hatten wir eine Berner Sennenhündin, die charakterlich ein Traum war, die aber dennoch ab dem späten Frühjahr bis in den Herbst hinein nur sehr eingeschränkt mit in die Schule gehen kann, weil ihr einfach zu warm ist und ihre Nerven dann entsprechend blank liegen könnten.
Helfen kannst du deinem Berner Sennenhund dann durch das konsequente Auskämmen der Unterwolle und (Züchter*innen werden mich jetzt hauen wollen) das Kürzen des Fells. Man nennt das „Sommerschur“, aber den Namen finde ich irreführend, weil der Hund eigentlich nicht geschoren, sondern nur das Fell gekürzt wird. Zumindest der Bauch des Berner Sennenhundes sollte in den warmen Monaten immer frei bleiben, so dass wenigstens dort Wärme abgegeben werden kann.
Mehr Informationen zur „Sommerschur“ findest du hier: Könnte warm werden – Die Sommerschur
Es gibt allerdings auch Berner Sennenhunde, die richtig sportlich sind und die dann auch mit einem Reh oder Hasen eine Weile mithalten können. Unsere Community weiß zu berichten:
- „Als Arbeitshunde hervorragend in diversen Sparten“
- „Wir machen Mantrailing und wir lieben es!“
- „Allerdings war sie auch jagdlich sehr motiviert und hat auf Sicht Rehe und Hasen gehetzt.“
Es macht ganz sicher Sinn, sich die Zuchtlinie genau anzuschauen und darauf zu achten, ob du eher ein sportliches oder eher ein gemütliches Exemplar hättest. Auch da gilt: Es gibt keine Garantie!
Die Größe und Schwere macht auch gesundheitliche Schwierigkeiten. Hast du einen glatten Boden in deiner Wohnung? Dann kann dein Hund schnell Probleme bekommen, weil er die ganze Zeit damit beschäftigt ist, nicht auszurutschen und dementsprechend muskulär verkrampft.
Krankheiten bei der Hunderasse Berner Sennenhund
Berner Sennenhunde werden häufig nur 7- 9 Jahre alt. Zumindest nach heutigem Stand, denn es gibt Bestrebungen in der Zucht, das zu ändern. Das ist ein sehr kurzes Hundeleben, leider. Aus der Erfahrung in meinen Kund*innenkreis heraus, kann ich sagen, dass die Hunderasse Berner Sennenhunde leider sehr krankheitsanfällig sind. Krankheiten, die häufig vorkommen, liegen im Gelenkapparat (ED, HD, OCD …). Auch Tumor- und Nierenerkrankungen kommen bei Berner Sennenhunden häufig vor. Außerdem berichten Kund*innen immer wieder über einen empfindlichen Magen-Darm-Trakt. Das wischt man häufig immer einfach so weg, so nach dem Motto „Ach, krank werden wir alle mal“, aber diese Krankheiten sind häufig mit viel Leid für Hund und Mensch verbunden. Ein Hund mit ausgeprägter ED oder HD leidet Schmerzen, kann sich nicht richtig bewegen, muss Medikamente nehmen und evtl. Operationen über sich ergehen lassen.
Zitat aus unserer Community:
- „Kenne sie (die Hunde) nur als Patienten“
- „Nicht so toll ist leider die körperliche Entwicklung über die letzten 20 Jahre. Es sind teils viel zu behäbige Kolosse entstanden, was auch bei den Bernern zu massiven gesundheitlichen Problemen geführt hat.“
- „Leider ist die Rasse sehr krank gezüchtet, ich würde heute keinen Berner mehr nehmen. Krebs, Gelenke, Augen, sehr schade.“
Um das mal zusammenzufassen
Berner Sennenhunde sind häufig (aber nicht immer!) gechillte und nette Genossen, die aber aufgrund ihrer Größe und Schwere im Alltag Probleme machen können, egal wie nett der Hund ist. Auch das dichte Fell kann gerade in den warmen Monaten für diese Hunde echt zur Last werden. Leider ist die Hunderasse der Berner Sennenhunde sehr krankheitsanfällig, das muss man einfach ehrlich sagen. Augen auf bei der Wahl der Zuchtstätte. Geliebt werden sie von ihren Halter*innen heiß und innig, das steht sowieso völlig außer Frage.
Filme und Artikel zum Berner Sennenhund
- Leinenführigkeit
- Spaziergang
- Grenzen setzen
- Angst bei Hunden
- Physiotherapie
- Mantrailing
- Nasenspiele
- Hund im Sommer
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