In unserer Reihe „Rassebeschreibungen ungeschönt“ möchten wir dir im Laufe der Zeit einige beliebte Hunderassen vorstellen. Wichtig ist zu wissen, dass eine Rassebeschreibung ein von Menschen erdachtes Idealbild darstellt. Das heißt, dass nicht jeder Rassehund seiner Rassebeschreibung entspricht. Jeder Hund ist ein Individuum. Außerdem solltest du wissen, dass manche Rasseeigenschaften auf dem Papier zwar ganz nett klingen, in Wirklichkeit aber je nach Lebenssituation des Hundes zu unerwünschten Verhaltensweisen führen können. KHC-Züchterin Cordula Weiss hat da mal was zu „ihrer“ Rasse, dem Kurzhaarcollie, zusammengefasst.
Der Ursprung
Der Kurzhaarcollie war früher der Allrounder auf den schottischen Bauernhöfen. Er war wohl eher der Treiber als der Hüter, aber auch der Wächter. Während der Langhaarcollie früh zum Modehund wurde, blieb dem Kurzhaarcollie dieses Schicksal erspart. In seinem Ursprungsland gehört er sogar bis heute zu den gefährdeten Hunderassen, da es nur wenige Würfe gibt. In Deutschland fiel der erste Kurzhaarcollie-Wurf erst 1961. Seitdem ging es langsam, aber stetig aufwärts mit der Beliebtheit dieser immer noch eher seltenen Hunderasse.
Ein idealer Familienhund?
Die Collies gibt es in zwei Varianten – in der Lassie-Version und als noch relativ unbekannten Kurzhaar-Hund. Lassie spukt vielen immer noch als Traumhund im Kopf herum – aber das Fell! Und so mancher ist dann erstaunt und erfreut, das Kurzhaar-Modell zu entdecken. Auch die Internet-Tests tragen zu manchmal falschen Erwartungen bei. Gibt man als suchender Ersthundehalter Wunscheigenschaften wie „kurzhaarig, nicht-jagend, idealer Familienhund, leicht erziehbar“ ein, landet man schnell unter anderem beim Kurzhaarcollie. Ja, es gibt viele Kurzhaarcollies in Anfängerhänden. Doch ganz so einfach, wie in Rassebeschreibungen dargestellt, entwickelt sich das Zusammenleben dann eben doch nicht immer. Vor allem die Junghundezeit kann anstrengender werden als erwartet. Dennoch – Kurzhaarcollies können wirklich wunderbare Familienhunde sein. Wie immer ist der Erwachsene dafür verantwortlich, dass die Kind-Hund-Kombi für alle Beteiligten positiv verläuft. So ist nicht jeder Collie ein großer Kuschler und Schmuser. Durchaus rassetypisch ist, dass sie gern eine gewisse Distanz an den Tag legen. Wird es ihnen zu viel, entfernen sie sich – und diesen Freiraum müssen auch Kinder dem Hunden geben lernen.
Der Kurzhaarcollie und das Wild
Ja, es soll sie geben, die Hunde, die einem Kaninchen keinen zweiten Blick schenken. Aber hier soll es ja nicht nur um das Idealbild gehen, sondern um die raue Wirklichkeit. Und die ist, dass viele Kurzhaarcollies doch sehr an Wild interessiert sind. Es sind bewegungsfreudige Hunde, durchaus mit einem gewissen, für die Erziehung erwünschten, Beutetrieb. Und was gibt es da Schöneres, als eine kurze Runde hinter einem Reh durch den Wald zu flitzen? Immerhin sind sie dann nicht zwei Stunden unterwegs wie vielleicht ein Beagle, sondern nur zwei Minuten. Aber auch das geht ganz und gar nicht und von daher ist beim Junghund oft Leinenpflicht angesagt. Es gibt allerdings ein Licht am Ende des Tunnels: Ja, ein Antijagdtraining ist möglich und viele erwachsene Kurzhaarcollies haben kein Problem mit Wildsichtungen. Aber das kann ein weiterer Weg sein, als sich mancher Welpeninteressent denkt.
Leicht erziehbar?
Kurzhaarcollies sind eher weiche, sensible Hunde. Das macht einem die Erziehungsarbeit oft leicht, denn sie sind schnell beeindruckt. Es kann aber auch bedeuten, dass sie sich Negativerfahrungen sehr hartnäckig merken. So kann dann aus einer Treppe, auf der der Hund einmal ausgerutscht ist, schnell „die Treppe des Todes“ werden! Dass die Welpensozialisation mit vielen guten Erfahrungen gespickt sein muss, gilt sicherlich für alle Hunde, für den Kurzhaarcollie aber besonders. Ein Besitzer, der selbst souverän durchs Leben geht, ist ihm dabei aber eine gute Stütze, an der er sich gern orientieren wird. Im Allgemeinen kommt der Kurzhaarcollie problemlos mit anderen Hunden zurecht. Doch es gibt keinen Hund mit Garantieschein und zickige Hündinnen und unverträgliche Rüden sind keine Seltenheit.
Nur keinen Stress!
Kurzhaarcollies kann man sehr leicht für jede Aufgabe begeistern. Sie lernen gern und schnell. In der Welpengruppe sind sie oft die „Streber“ und das macht auch seinem Menschen riesigen Spaß. Die Kehrseite ist, dass daraus aber auch schnell ein „Zu viel“ werden kann. Dem Borderbesitzer mag klar sein, dass Ruhe gelernt werden muss, dem Kurzhaarcollie-Welpenkäufer nicht unbedingt. Stress ist durchaus ein Thema, das beim Kurzhaarcollie zu Problemen führen kann. Auch erregungslevelbedingten Stress sollte man im Auge behalten. Die meisten Kurzhaarcollies lieben Action und drehen schnell hoch. Wenn alles gut läuft, kommen sie zwar genauso schnell wieder runter – aber stets allzu wilde Aktivitäten tun langfristig selten gut. Also, immer mit der Ruhe!!
Pssst!
Ob lang- oder kurzhaarig – viele Collies bellen gern! Bellen ist selbstbelohnend und nicht unbedingt so leicht wieder abzuerziehen, wie man manchmal lesen mag. Je nach Wohnlage und Nachbarschaft kann es also ein weiteres Thema sein, mit dem man sich auseinandersetzen muss.
Der Kurzhaarcollie: Pflegeleicht?
Viele Welpeninteressenten kommen zum Kurzhaarcollie, weil sie sich einen pflegeleichten Hund wünschen, der nur wenig Dreck macht. Also soll er kurzhaarig sein. Ja, nach einem Matschspaziergang hat das wirklich große Vorteile. Da sie auch Pfützen wenn möglich eher weiträumig umgehen (anders als so mancher Retriever, der sich am liebsten noch hineinlegen würde), genügt ein Sauberrubbeln in den meisten Fällen. Viele Kurzhaarcollies müssen nie eine Badewanne kennenlernen. Schnell übersehen wird allerdings, dass der Kurzhaarcollie erstaunlich viel Unterwolle mit sich herumträgt. Wie viel das ist, bemerkt mancher erst, wenn die Hunde das erste Mal abhaaren. Es sind zwar nicht die kleinen Stichelhaare, die in Kleidung und Polster steckenbleiben, aber schwarze Kleidung stellt sich schnell als eher unpraktisch heraus. Und ein guter Staubsauger wird bald zum täglichen Freund.
Gesund und fit?
Der Kurzhaarcollie ist im Großen und Ganzen eine noch sehr gesunde Rasse. Ja, es sind Lebewesen und alles kann vorkommen: Krebs, Allergien, Herzprobleme, Verdauungsbeschwerden, Magen-Darm-Sachen und Schilddrüsengeschichten, sehr selten auch Epilepsie. Alles ist möglich, aber nichts ist wirklich rassetypisch. HD ist glücklicherweise gar kein Thema. Wir kennen keinen ausgewerteten Hund mit einem schlechteren Ergebnis als HD B. An DNA-Tests stehen Tests für MDR1, CEA, DM und PRA zur Verfügung. Die Züchter setzen hier unterschiedliche Prioritäten und wir empfehlen das Gespräch, um selber zu einer Meinung zu kommen. Als realistischen Durchschnitt für ein zu erwartendes Alter möchte ich 12 Jahre nennen. Leider sterben auch einmal 10jährige, aber doch sehr oft werden sie auch 14+. Meine eigene Seniorin starb mit über 15,5 Jahren und meine bald 11jährige Hündin ist noch sehr fit und arbeitsfreudig.
Fazit Kurzhaarcollie
Kann man mit all dem leben, wird man den eleganten, leichtfüßigen, vielseitigen Hund lieben, der bisher von züchterischen Übertreibungen verschont wurde, der insgesamt zu den eher gesunden Rassen zählt und der sehr an seinen Menschen hängt. Kein Wunder also, dass in so manchem Kurzhaarcollie-Haushalt mehrere dieser wunderbaren Hunde leben!
Autorinnen
- Cordula Weiß, Züchterin
- Nadine Bernecker, Rassebetreuerin
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