Nie mehr abbeißen, als man kauen kann

Überleg dir, welcher Hund zu dir passt!

Großer Hund, Lebendgewicht 50 kg, an der Leine, auch wenn du selbst nur 70 kg auf die Waage bringst? Zwei richtig große Hunde, die zusammen über 100 kg auf die Waage bringen, in einer Straße mit bellenden Zäunen? Ja, das kann gutgehen. Richtig gut sogar. Aber manchmal geht das auch gehörig schief. Überlege dir besser vor dem Hundekauf, welchem und wie vielen Hunden du ein gutes Zuhause geben kannst. Sonja Meiburg gibt ein paar Denkanstöße.

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Foto: Lara Meiburg Photogaphie

Der junge Schäferhund

Es ist erst ein paar Monate her, da war bei mir auf dem Hundeplatz ein älteres Ehepaar mit einem jungen Schäferhund. Rassetypisch war der junge Bursche etwas überdreht, aber eigentlich ganz nett und absolut ansprechbar. Allerdings war er zu schnell und zu lebendig für das ältere Ehepaar, die ihren Hund von Herzen geliebt haben und die nur das Beste für ihn wollten. Sie hatten halt schon immer Schäferhunde und wollten jetzt, wo sie in Rente waren, unbedingt noch einmal einen Hund großziehen. Der Baby-Schäfi sprang in die Leine, wie junge Hunde das halt machen. Da Frauchens Finger schon für den jungen Hund nicht mehr kräftig genug waren, konnte er sich durch das Springen in die Leine regelmäßig losreißen.

Lernerfahrungen

Leider war Herrchen auch nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. Er konnte seinen Buben nur halten, wenn er dafür sorgte, dass der Hund nicht allzu viel Anlauf hatte. Die Leine wurde also entsprechend kurzgehalten. Das sorgte logischerweise für ziemlich viel Frust beim Hund, der durch die kurze Leine stark in seiner Bewegung eingeschränkt war. Ein ganz übler Teufelskreis. Als Trainerin habe ich alles getan, was ich tun konnte. Wir haben den Frust durch Freilaufsequenzen gemildert, wir haben für entspannte Hundebegegnungen gesorgt, wir haben das Leinenhandling überprüft und es stellten sich auch Erfolge ein. Allerdings fiel es dem Ehepaar zunehmend schwer, einfach mal stehenzubleiben, sobald der mittlerweile pubertierende Jungspund in die Leine sprang. Der Hund war einfach viel zu kräftig für das Ehepaar. Es ist wahnsinnig schwierig, Leinenführigkeit zu üben, wenn der Hund gelernt hat, dass er nur kräftig genug ziehen muss, um in die gewünschte Richtung weitergehen zu können. Natürlich kommen dann bei den Haltern Gedanken an Stachelhalsbänder und Endloswürger hoch. Die reine Verzweiflung. Es war ihnen aber sehr schnell klar, dass ihr Bube durch Schmerzen am Hals innerhalb kürzester Zeit noch viel unkontrollierbarer geworden wäre. Wir haben durch verändertes Leinenhandling, Ruckdämpfer und viel, viel, viel gemeinsames Training einen guten Weg gefunden, aber der hat auch nur funktioniert, weil der Hund wirklich sehr gut motivierbar war.

Geschichten von überforderten Halter*innen

Solche Geschichten erlebe ich leider immer wieder. Da geht eine Dame, die gerade mal 1,50 m groß ist, mit drei Doggen spazieren und wundert sich, dass sie Schwierigkeiten mit der Erziehung hat. Eigentlich ist es kein Wunder, denn die Doggen merken nicht einmal, dass da ein Fliegengewicht hinten an ihnen dranhängt. Eine andere Halterin kam mit vier Appenzeller Sennenhunden auf den Hundeplatz und wollte gerne, dass wir Hundebegegnungen üben. Jeder ihrer Hunde war einzeln gut lenkbar, aber alle vier zusammen haben die Halterin schlicht überfordert. Da war dann auch noch der ältere Herr mit dem Ridgeback, der sich immer von der Leine gerissen hat, um im Wald die Rehlein zu jagen und seinem Halter dadurch einen gebrochenen Finger und einen verrenkten Fuß beschert hat.

Der Trainer / die Trainerin solls richten

Ich finde es ja mega, wenn Menschen Hilfe bei uns TrainerInnen suchen. Und oft genug können wir den Leuten das Zusammenleben mit einem Vierbeiner, dem sie körperlich nicht gewachsen sind, zumindest erleichtern. Und manchmal überraschen einen die HalterInnen und die Vierbeiner mit ihrer Disziplin und ihrer konsequenten Umsetzung des Trainings und es fluppt. Aber so ein Training hat Grenzen! Wenn jemand beim Leinenführigkeitstraining nicht einmal stehenbleiben kann, wenn der Hund an der Leine zieht (geschweige denn, rechtzeitig zu belohnen, bevor die Leine aus der Hand fliegt), ist das Training schlicht verdammt schwierig, zumal der Hund ja auch mal spazieren gehen muss, auch wenn die Leinenführigkeit noch nicht perfekt ist. Wir können Leinenhandling erklären, wir können Trainingssituationen schaffen, wir können die Hunde motivieren, den HalterInnen zeigen wie das Training funktioniert. Aber wir können einfach keinen Feenstaub versprühen und den Hund mal eben 20 Kilo leichter zaubern. Ist leider so.

Nicht mehr abbeißen, als man kauen kann

Ich kann gut verstehen, dass Menschen große Hunde lieben. Ich selbst mag die Riesen von Herzen gern, knuddle gerne mit ihnen, raufe gerne mit ihnen. Aber überlege dir doch bitte genau, ob du so einem großen Hund tatsächlich körperlich gerecht werden kannst. Kannst du einen Hund, der nur ein klein wenig leichter ist als du, noch an der Leine halten? Bist du dem Hund körperlich, koordinativ, nervlich gewachsen? Kannst du ihn auch noch tragen, wenn er mal alt ist und die Treppe nicht mehr runtergehen kann?
Wenn ja: Nur zu! Große Hunde haben etwas sehr Majestätisches, wirken beeindruckend und es macht großen Spaß, sich mit ihnen aufs Sofa zu quetschen. Aber bitte sei in deiner Einschätzung absolut ehrlich. Mit 1,60 Metern Körpergröße und 65 Kilo Lebendgewicht tut man sich sehr schwer, 45 Kilogramm Hund zu erziehen, wenn die 45 Kilo gerade in eine ganz andere Richtung wollen als man selbst. Reine Physik. Und gegen die kommt man nicht einfach so an.

Wie ist das bei dir? Bist du stolze*r Besitzer*in eines großen Hundes und/oder vieler Hunde? Läufts gut bei euch? Gibts Schwierigkeiten? Postet doch ein paar Fotos von euren Hunden auf unsere FB-Seite! Wir freuen uns.

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