In unserer Reihe „Rassebeschreibungen ungeschönt“ möchten wir dir im Laufe der Zeit einige beliebte Hunderassen vorstellen. Wichtig ist zu wissen, dass eine Rassebeschreibung ein von Menschen erdachtes Idealbild darstellt. Das heißt, dass nicht jeder Rassehund seiner Rassebeschreibung entspricht. Jeder Hund ist ein Individuum. Außerdem solltest du wissen, dass manche Rasseeigenschaften auf dem Papier zwar ganz nett klingen, in Wirklichkeit aber je nach Lebenssituation des Hundes zu unerwünschten Verhaltensweisen führen können. Dr. Christine Kompatscher hat da mal was zu „ihrer“ Rasse, dem Australian Shepherd, zusammengefasst.
Der Rassestandard
Australian Shepherd – FCI: Gruppe 1 – Hütehunde und Treibhunde (ausgenommen Schweizer Sennhunde)
Der Australian Shepherd, oder kurz Aussie genannt, ist eine relativ junge Hunderasse. Entstanden in den USA war der Aussie so was wie ein spezialisierter Allrounder. Sein Job war ursprünglich, auf amerikanischen Farmen die Farmer beim Hüten, Treiben und Sortieren von Schafen, Ziegen, Geflügel, Schweinen aber auch Rindern, zu unterstützten. Und gerade um Rinder zu hüten, braucht es einen Hund, der “seinen Mann steht”. Der im Zweifelsfall auch mal beißt (vorzugsweise in Nase oder Fesseln) wenn das Rind sonst nicht zu bewegen ist. Ein mutiger Hund, der nicht bei der ersten Bedrohung wegläuft und der auch mal selbstständig eine Entscheidung trifft. Außerdem war der Aussie für die Bewachung der Farm zuständig, sollte Eindringlinge melden und im Zweifelsfall auch mal stellen.
Der Aussie: Eine junge Rasse
Das erste Zuchtbuch wurde erst 1957 (ASCA) eröffnet, die FCI Anerkennung erfolgt gar erst 1996. Kein Wunder also, dass es schwierig ist von “dem Australian Shepherd” zu sprechen, erst recht, wenn man bedenkt, dass es bis heute drei Zuchtverbände gibt. Und als wäre das nicht genug, quasi zwei doch sehr unterschiedliche Zuchtziele. So gibt es Züchter, die den “Arbeiter” im Blick haben, und Züchter, die vor allem in Richtung “Show” züchten. Dementsprechend unterschiedlich kann schon das Erscheinungsbild des Aussies sein. Die zwei Extreme stellen sicher auf der einen Seite, der Typ Arbeitslinienaussie, der äußerlich vom Border Collie kaum zu unterscheiden ist, und auf der anderen Seite der Typ Showaussie, dessen Haarpracht und Leibesfülle manchmal an einen Berner Sennenhund und Langhaarcollie denken lässt, dar.
Ein kleines Überraschungsei
Und wie beim äußeren Erscheinungsbild auch, ist das auch mit dem Wesen des Australian Shepherd so eine Sache. Es gibt einige rasse-charakteristische Merkmale, die Ausprägung kann aber durchaus sehr, sehr unterschiedlich sein. Und da die Rasse jung und der Genpool nicht gar so überragend groß ist, bleibt jeder Welpe ein klein bisschen ein Überraschungsei. Zumindest, wenn man sich nicht vor Augen hält, was die einzelnen Wesenszüge in ihrer extremsten Variante bedeuten können. Wer dies weiß und sich Gedanken darüber gemacht hat, ob er damit zurecht kommen kann, hat im Aussie einen Hund fürs Leben gefunden!
Das Hüten
Der Aussie hat Hüteinstinkt. Was aber bedeutet das, wenn ich mir einen Australian Shepherd nach Hause hole? Es kann bedeuten, dass ich einen Hund zu Hause habe, der mit Hüten und Hüteverhalten wenig bis gar nix am Hut hat. Es kann aber auch sein, dass ich einen Hund bekomme, dessen Gene sagen: „Hinterherjagen, umkreisen, zu meinem Menschen bringen!“ Und gar nicht so häufig beschränkt sich dieses Verhalten nicht auf grundsätzlich zu hütende Tiere, sondern wird dann auch an Autos, Fahrrädern, Joggern und Kindern gezeigt. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass der Aussie beim Hüten, durchaus auch mal zupacken kann, wird klar, dass es notwendig ist, bereits von Welpenbeinen an genau hinzuschauen und eventuell beizeiten einzugreifen.
Das Jagen
Dafür hat man aber mit einem Hütehund kein Jagdthema, nicht wahr? Dieses Gerücht hält sicher leider immer noch hartnäckig, entbehrt aber jeder Grundlage. Hüte- und Jagdverhalten sind eng miteinander verwandt. Nicht wenige Aussies sind/wären ausgezeichnete Jäger. Besonders auf Bewegungsreize, zum Beispiel auf den flüchtenden Hasen, aber manchmal auch das laufende Kind, reagiert so mancher Aussie blitzschnell. Auch das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich einen Australian Shepherd holt.
Territorialverhalten des Australian Shepherd
Australian Shepherd beschützen und bewachen gerne. Sie sind territorial. Auch hier: Es gibt Aussies die es grad mal schaffen, “Wuff” zu sagen, wenn ein Fremder auf der Matte steht und die Menschen grundsätzlich toll finden. Aber es gibt eben auch die Kandidaten, die ohne verständnisvolle Erziehung keinen Fremden in die Wohnung lassen würden, und auch unterwegs dafür Sorge tragen, dass ihrem Besitzer keiner zu nahe kommt. Bei einigen Aussies beschränkt sich das Territorium auf den eigenen Liegeplatz, und auch den verteidigen sie nur halbherzig. Andere wiederum erkennen als Territorium nicht nur Haus und Garten, sondern gleich das ganze Wohnviertel an, und würden auch unter Einsatz der Zähne jeden Platz als ihren verteidigen, an dem sie sich länger als gefühlte 30 Sekunden aufhalten. Ja genau: Das ist die Parkbank, auf der mal kurz Rast gemacht wird, der Tisch im Kaffee, …
Selbständigkeit
Aussies sind intelligent und haben „Will to please“. Ja das stimmt sicher, aber nachdem sie ursprünglich gezwungenermaßen manchmal eigenständig Entscheidungen treffen mussten, tun manche das auch heute noch ganz gern. Zudem sind viele oft sehr kreativ, finden Wiederholungen ätzend und haben dann auch kein Problem, ohne ihren Halter eine in ihren Augen sinnvollere Tätigkeit auszuüben. Auch steckt in vielen der manchmal rüpelig wirkenden Hunde ein sensibles Seelchen, dass auf Ungerechtigkeiten mit Rückzug reagiert. Last but not least: Intelligente Hunde lernen schnell das stimmt, aber eben manchmal nicht nur das, was wir uns wünschen!
Über- und Unterforderung
Aussies brauchen viel Beschäftigung …? Ja, wie jeder andere Hund auch, braucht auch der Aussie mehr als den täglichen Spaziergang. Und die meisten Vertreter der Rasse sind wirklich für alles zu begeistern, was man ihnen anbietet. Aber daneben müssen ganz viele erstmal lernen, zur Ruhe zu kommen, abzuschalten und einfach entspannt zu schlafen. Viele Aussies sind ganz schnell von Null auf Hundert. Die Kunst ist, sie genau so schnell wieder zurück auf null zu bringen und darauf zu achten, dass sie vor lauter Action nicht den Kopf verlieren.
Border light?
Aussies sind Border light? Nein! Aussies sind Aussies und Border Collies sind Border Collies. Beide Rassen haben zum Teil Eigenschaften, die sehr verschieden sind. Den einen als den vermeintlich “leichteren” Hund als den anderen zu beschrieben, ist schlichtweg unsinnig!
Ich habe hier bewusst die beiden extremsten Seiten der unterschiedlichen Wesenseigenschaften des Aussie aufgezeigt. Viele Vertreter der Rasse sind in ihrem Verhalten irgendwo dazwischen. Nur: Nicht immer weiß man das, wenn man sich einen Welpen ins Haus holt!
Filme und Artikel zum Australian Shepherd
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