„Tricks & Co.“ – Über Sinn und Unsinn von Tricktraining

Tricktraining kennt jeder. Tricktraining macht Spaß. Aber Tricktraining kann auch noch mehr! Lest unseren Artikel von Dagmar Milde über die unendlichen Möglichkeiten, Tricktraining sinnvoll einzusetzen.

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So ein Hund hat´s nicht leicht

Der moderne Hundealltag ist anspruchsvoll und fordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz von Hund und Halter. Hunde leben mit uns in Etagenwohnungen, sie gehen mit uns einkaufen, ins Restaurant und fahren Bus und Tram. In dicht besiedelten Gebieten treffen sie auf engstem Raum Artgenossen und sollen alle begrüßen und sich mit allen gut verstehen. Hunde gehen mit uns joggen, sollen aber nicht jagen. Sie sollen stundenlang Bällchen jagen und bringen, Nachbars Katze aber ignorieren. Als Hobbypartner suchen sie Menschen, springen über Hürden und treiben Schafe von A nach B. Nicht jeder Hund ist dabei unseren Anforderungen gewachsen. Eine gute Erziehung ist da lebensnotwendig. Hundehalter sind sich dessen bewusst und bemühen sich um eine sorgfältige Ausbildung ihres Lieblings. Das Angebot an Welpen-, Junghunde- und Erziehungskursen ist reichhaltig und eine Vielzahl an Methoden tummeln sich auf dem Markt. Für den Hundehalter ist dabei nicht immer ersichtlich, wie gut organisiert die Kurse sind und wie gut das Training nun wirklich sein wird. Ich bin Fan von fröhlichem und verspieltem Training. Sitz, Platz und vor allem Bleib kann auch mit witzigen Spielen und Übungen erlernt werden und so landet man schnell beim sogenannten Tricktraining.

Erziehungskurs oder Tricktraining

Ein Hund unterscheidet nicht zwischen Training für die Alltagstauglichkeit oder Tricktraining. Verlangen wir von unserem Hund ein „Sitz“, dann ist es für den Hund egal, ob er sich für einen Zirkustrick, wie „Schäm dich“, „Männchen“ oder „Winken“ setzt oder ob er sich brav hinsetzen soll, um das Geschirr angelegt zu bekommen, angeleint zu werden oder zu warten, bis wir die geöffnete Türe mit einem Wort freigeben. Ein „Sitz“ ist für den Hund ein Trick, den er gerne zeigt, wenn es sich für ihn in dieser Situation lohnt. Hunde können sowieso sitzen, sie brauchen das nicht in einem Erziehungskurs lernen. Der Trick ist eher, dass der Mensch es schafft, den Hund überall dort ins Sitz zu bekommen, wo er sich das wünscht.

Ein positives Umfeld hilft beim Lernen

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Die moderne Neurobiologie hat in den vergangenen Jahren eine Fülle von Erkenntnissen zu Lern- und Gedächtnisvorgängen in den Gehirnen von Mensch und Tiermodell zusammengetragen. Auf unterschiedlichsten Betrachtungsebenen, von molekularen bis hin zu systemischen Ansätzen, wurden dabei Mechanismen des Lernens und der Informationsspeicherung aufgeklärt. Es hat sich gezeigt, dass Mensch und Tier in einem positiven Umfeld erfolgreicher lernen können. Lernen ist mit Gefühlen und dem jeweiligen Kontext eng verbunden. Ein Individuum entscheidet sich für Verhaltensweisen, die sich in einer bestimmten Situation lohnen. Diese werden gerne und oft gezeigt. Das Wissen um die Vorteile belohnungsorientierten Trainings hat das Hundetraining der vergangenen Jahre verbessert und tierfreundlicher gemacht. Motivierte und selbstständige Hunde sind erwünscht, die mit ihren Menschen kooperieren und fröhlich und entspannt im Training mitarbeiten. Das Training mit einem Markersignal, wie zum Beispiel dem Clicker und das Training mit Targets, haben sich nicht nur im Tricktraining als erfolgreiches Werkzeuge im belohnungsorientierten Training erwiesen. Dabei ist Clickertraining weit mehr, als nur Kunststücke und Tricks zu erarbeiten. Das Training mit Markersignal hat im Medical Training in Zoos und Tierheimen Einzug gehalten und ist auch in der Verhaltenstherapie unschlagbar.

Alltagstauglich durch Tricks

Tricktraining, so vielseitig, wie es sein kann, hat eines gemeinsam: es macht Hunde mutig und kreativ und es gestaltet das gemeinsame Training mit unserem Liebling bunt und vielseitig und füllt unsere Belohnungskiste für den Hundealltag bis oben hin. In einem guten Tricktraining erarbeiten sich Hunde die Lösungswege aktiv und selbstständig. Sie sind mit Konzentration bei der Sache und denken mit. Tricktraining ist Kopfarbeit und macht müde und glücklich. Aus der Vielzahl an zur Verfügung stehenden Tricks kann man nun das genau passende heraussuchen und seinen Hund fördern und unterstützen. Schüchterne Hunde lernen in kleinen Trainingsschritten, aktiv Verhalten anzubieten. Grobmotoriker können Tricks erarbeiten, die Körperkoordination und Eigenwahrnehmung fördern. Die nimmermüde Rennsemmel wird schon nach wenigen Minuten Tricktraining ruhig und ausgeglichen. Und auch für die vorwitzigen „Ich-weiß-schon“-Hunde finden wir Tricks, die ruhiges und fehlerfreies Arbeiten fördern.

Stimmungsübertragung

Jeder, der schon einmal die Stimmung auf einem klassischen „Unterordnungshundeplatz“ erlebt hat, wird sofort den Unterschied bemerken: beim Tricktraining herrscht gute Laune. Viele Hundehalter fühlen sich befreit, denn sie müssen keine Befehle erteilen, sondern sie dürfen beobachten und sich an der Kreativität und Klugheit ihres Lieblings erfreuen. Ein gutes Tricktraining bietet Hilfsmittel, damit Tiere fehlerfrei lernen können und schnell erfolgreich zum Ziel kommen. Ein wichtiges Hilfsmittel sind Targets im Training. Das Wort Target kommt aus dem Englischen und bedeutet „Ziel“.
Dabei lernen Hunde Targets mit der Pfote, mit der Nase oder dem Kinn zu berühren und die Position zu halten. Mit Targets trainierte Hunde, sind selbstsichere und entspannt arbeitende Hunde, die sehr schnell verstehen, was wir ihnen zeigen möchten und dadurch Tricks schnell fehlerfrei erlernen.

Trick statt Leckerli

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Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie gerne Hunde Tricks zeigen. Es macht ihnen einfach Spass und da ihre Umgebung meistens begeistert staunt, werden sie bei jeder Vorführung bestärkt, den Trick möglichst oft anzubieten. Eine tolle Möglichkeit, mehr Vielfalt in unsere Belohnungskiste zu bringen. Es gibt viele Situationen in einem Hundeleben, wo ein Keks wirklich keine attraktive Belohnung darstellt, aber ein Lieblingstrick, der oft und gut belohnt wurde gerne gezeigt wird. Gut trainierte Tricks haben die Kraft, Hunde in kritischen Situationen wieder in unsere Welt zu holen. Sei es im Wald, wo eine Wildspur eine magische Anziehungskraft besitzt oder auch für den schüchternen Hund, der sich in einer Umgebung nicht wohl fühlt. Die Stimmung, die im Training beim Erarbeiten der Tricks herrschte, wird mit dem jeweiligen Kunststück so stark verbunden, dass sie als Anker in andere Situationen übertragen werden kann. Verantwortlich dafür ist ein Bereich im Säugetiergehirn, wo Lernen stattfindet. Die Fähigkeit zu lernen, ist für Mensch und Tier eine Grundvoraussetzung dafür, sich den Gegebenheiten des Lebens und der Umwelt anpassen zu können, darin sinnvoll zu agieren und sie gegebenenfalls im eigenen Interesse zu verändern.

Signale und das Limbische System

Die Evolution hat uns die Fähigkeit vererbt, Signale, bzw. Reize im Kontext ihres Auftretens abzuspeichern und in Windeseile bewerten zu können. Dabei werden Signale, das sind Reize, aus der Umwelt des Tieres über die Sinnesorgane aufgenommen, an das Gehirn weitergeleitet und dort im Limbischen System geprüft und bewertet. Das Signal durchläuft quasi mehrere Filter, die es auf seine Alltagstauglichkeit hin überprüfen, um Vor-und Nachteile im Überlebenskampf besser einschätzen zu können. Damit in Zukunft schnell und sinnvoll reagiert werden kann, bekommt das Signal am Ende der Bewertung einen emotionalen Stempel aufgedrückt. Das Signal wird mit einem guten oder mit einem schlechten Gefühl verknüpft. Diese Bewertung findet auf dem Hintergrund der räumlichen Orientierung statt. Die betreffenden Reize werden also immer mit dem jeweiligen Ort in Zusammenhang gebracht und das Individuum wird in die Lage versetzt, zu erkennen, wo es sicher ist, wo es Futter findet oder auch, wo ihm Gefahr droht.

Was bedeutet das für unser Tricktraining im Hundealltag?

Alle Signale, die während des Trainings vorhanden sind, werden mit dem Trick verknüpft. Das kann ein bestimmter Ort sein, wo sich der Hund wohl fühlt oder die Stimmung von seiner Bezugsperson, die mit ihm arbeitet. Das sind aber auch alle Hör- und Sichtzeichen, die wir nutzen, sowie die Belohnung, die im Training eingesetzt wird. Ein Grund mehr, im Training nicht geizig zu sein und den Hund mit hochwertigen Leckereien zu belohnen. Nun wissen wir auch, warum manche Hunde förmlich ausflippen, wenn wir uns dem Trainingsraum nähern. Umgekehrt können wir alle positiv verknüpften Signale einsetzen, um den Hund zu belohnen oder in schwierigen Situationen zu helfen. Alle positiv trainierten Verhaltensweisen, die oft und gut belohnt wurden, können als Belohnung für ein gezeigtes Verhalten eingesetzt werden.

Risiken & Nebenwirkungen

Wie in jedem Training, ist das Werkzeug nur so gut, wie die Anwendung. Vollkommen risikofrei ist auch das Tricktraining nicht. Ganz entscheidend ist ein sorgfältiger Trainingsaufbau, der in kleinen Schritten fehlerfreies Lernen ermöglicht. Das Anfangsverhalten sollte genauso gut bedacht sein, wie der Weg, der meinen Hund zum Wunschverhalten führt. Wir sollten im Training auf die Hundepersönlichkeit individuell eingehen können und u.a. wissen, welche Vorerfahrung der Hund hat und wie seine Belohnungsvorlieben sind. Auch wenn der Trick schon fertig erarbeitet wurde, sollte man mit ihm sorgfältig umgehen. Hör-und Sichtzeichen müssen klar und verständlich für den Hund sein und eine gute Signalkontrolle sorgt dafür, dass unser Hund nicht zum Pausenclown mutiert. Eine Nebenwirkung bei motivierten und kreativen Trickhunden ist nämlich, dass sie ihr Können gerne sehr oft und überall zeigen wollen. Meistens ist das ziemlich niedlich und die Begeisterung, die der gezeigte Trick bei Menschen auslöst, ist Belohnung genug für diesen Hund. Wenn der Hund nun aber ständig einen Trick anbietet, ohne dass er durch ein Signal dazu aufgefordert wurde, dann verliert der Trick seine Genauigkeit und kann auch nicht mehr gezielt eingesetzt werden. Umgekehrt kann ein Hundehalter einen Trick schnell unbeliebt machen, wenn er der Versuchung erliegt, diesen ständig in Situationen einzufordern, in denen der Hund überfordert ist und sich unwohl fühlt.

Tricktraining mit Potenzial

Tricktraining ist Training mit grossem Potenzial. Kunststücke machen Hunde alltagstauglich.
Tricktrainierte Hunde sind aufmerksam und kooperieren mit ihren Menschen. Jeder Hund sollte Tricks lernen dürfen.

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Über die Autorin

Dagmar Milde

Dagmar Milde wohnt mit Familie, zwei Hunden, einem Kater und zwei Nymphensittichen in der Nähe von Basel. Nach einem Musikstudium und langjähriger Tätigkeit als Bratschistin im Sinfonieorchester Basel, leitet sie seit 2008 die Hundelongierschule Riehen. Die Hundelongierschule Riehen bietet neben Longieren und dem von Dagmar Milde entwickeltem Rally Longieren, Hundefitnesskurse wie Gymnastrick, Click- und Trickkursen, sowie Dog Dance und Rally Dog Dance an. Ab 2018 wird JAD Dogs das Angebot erweitern. Regelmässig werden themenbezogenen Seminare und Workshops angeboten. Das Seminar Programm besteht momentan aus den Workshops zu „Lernspielen“, „Das 10 Leckerli Spiel & Co“, Giftködertraining, Training für den jagenden Familienhund, Rückruf– und Leinentraining. Diese Seminare können, auch extern gebucht werden. Bei Interesse senden Sie bitte eine Email mit dem Betreff „Workshop Anfrage“ an info@hundelongierschule.ch

Seit 2017 ist der erste Online Kurs Longieren nach dem Trainingsaufbau der Hundelongierschule erhältlich unter https://www.hundelongierschule.ch/kurse-shop/
Das von Dagmar Milde konzipierte Trainingstagebuch Longieren ist bei Easy Dogs zu finden: https://www.easy-dogs.net/angebot/buecher_und_produkte/tagebuch_longieren.html
Verschiedene Veröffentlichungen in Fachzeitschriften u.a. Sitz Platz Fuss, bei Easy Dogs, Markertraining oder im eigenen Blog: https://mildes-hundetraining.ch/blog

Ausbildungen

Nach dem Fernstudium der Hundepsychologie bei ATN, folgten verschiedene Ausbildungen zur Clickertrainerin, ergänzt durch Seminare und Fortbildungen, wie z.B. die Hühnerseminare in der Tierakademie Scheuerhof oder die TAG Teach Ausbildung. Sachkundenachweis, Erlaubnis nach § 11 Nr. 8 TSchG, wurde beim Landratsamt Lörrach abgelegt.

Mehr Information unter www.hundelongierschule.ch

Bildquelle

  • Alle Fotos: Dagmar Milde

Kommentare

Eine Antwort zu „„Tricks & Co.“ – Über Sinn und Unsinn von Tricktraining“

  1. Danke für den tollen und informativen Artikel, ich habe ihn sehr gerne gelesen.
    Liebe Grüße Andrea

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