Es ist auch sein Spaziergang – Schnüffeln erlaubt

„Der hat nur zu schnüffeln, wenn ich ihm das sage!“ Kennt ihr das? Menschen, die ihren Hund an der superkurzen Leine Gassi führen und ihnen nicht erlauben, nach Herzenslust zu schnüffeln? Ja, die gibt es. Warum du das nicht nachmachen solltest, erklärt dir Sonja Meiburg.

Schnueffeln

Neulich auf dem Hundeplatz kam ein Herr in die Stunde, der seinen Hund an einer Meterleine führte. „Meterleine“ bedeutet: Die Leine ist nur einen Meter lang. Und er hatte einen großen Hund, einen Riesenschnauzer, also einen Hund, der eine gewisse Schrittlänge hat und damit etwas raumgreifender ausschreiten kann als sein kurzbeiniges Herrchen. Auf dem Hundeplatz wollte der Riesenschnauzer ein wenig die neue Luft einsaugen und abchecken, wer sich sonst noch alles in der Stunde befindet, indem er seine Nase an dem Pipipfosten am Hundeplatzeingang andocken lassen wollte. Herrchen hat das aber mit einigen herzhaften Ruckern unterbunden.

Warum?

Ich dachte, ich seh nicht richtig. Ein Hund, der nur mal schnüffeln will, wird gleich an der Leine geruckt? Der Riesenschnauzer-Bube hatte ja nicht mal an der Leine gezogen, nur den Kopf gesenkt. Ich war ein wenig fassungslos, wollte aber doch wissen, warum Herrchen das tut. Zumal meine Stunden dafür bekannt sind, dass solche Erziehungsmethoden nicht erwünscht sind. Ich ging also zu ihm rüber und fragte ihn, warum er an der Leine geruckt und seinem Hund damit weh getan hat. Seine Antwort: „Der darf nur schnüffeln, wenn ich ihm das sage!“.

Die Sache mit dem Rudeldings

Das provozierte natürlich meine Frage: „Warum um alles in der Welt lässt du deinen Hund nicht einfach schnüffeln?“ Seine Antwort: „Weil ich der Rudelführer bin und bestimme, wann und wo geschnüffelt wird. Der muss beim Spaziergang neben mir gehen und warten, bis ich eine Schnüffelstelle freigebe.“ Äh, ja. Ich bin sicher, der Spaziergang macht dem Schnauzer einen riesengroßen Spaß…nicht. Diese Weisheit hatte Herrchen aus dem Internet. Dort wurde ihm empfohlen, seinen Hund, der einer Rasse angehört, „die von Natur aus sehr dominant ist“, auf dem Spaziergang ohne Freigabe auf gar keinen Fall schnüffeln zu lassen, damit direkt von Anfang an klar wäre, wer der Boss sei, denn nur der Boss bestimmt, wer und wo schnüffeln darf. Das sah also so aus, dass Herrchen seinen Hund von Welpenbeinen an durch die Gegend geruckt hat, damit der kleine Hund ja lernt, immer unmittelbar neben seinem Halter durch die Gegend zu laufen und ja nicht ohne Erlaubnis den Kopf in Richtung Boden zu strecken.

Umwelterkundung fürs Gehirn

Damit nimmt er seinem Hund aber eine ganz wichtige Sache: Umwelterkundung. Jedes Lebewesen ist von Natur aus neugierig und will wissen, wie seine Welt funktioniert, wie sie aussieht, wie sie riecht, von wo Gefahren zu erwarten sind, was Spaß macht und Freude bringt. Für die Entwicklung unserer Hunde ist es wichtig, dass sie diese Umwelt in einem sicheren Rahmen nach Herzenslust erkunden dürfen. So fühlen sie sich sicher, zeigen Neugier und Lebensfreude. Das Gehirn wird durch spannende Reize immer wieder neu verdrahtet. Schnüffeln ist wichtig!

Es ist auch sein Spaziergang!

Ich habe versucht, Herrchen zu erklären, wie veraltet und auch wie sinnlos das Ding mit dem Rudelführer ist. Dass es gar nichts ausmacht, wenn er seinem Hund viel, viel, viel Gelegenheit zum Schnüffeln gibt. Er gab allerdings zu Bedenken: „Dann schnüffelt der doch die ganze Zeit und wir kommen überhaupt nicht voran!“ Ja, das kann natürlich passieren. Gerade wenn der Hund einiges nachzuholen hat. Aber was soll´s? Der Spaziergang ist doch nicht nur dafür da, dass ich meine Beine vertrete, eine bestimmte Gehgeschwindigkeit einhalte oder einen bestimmten Kilometerschnitt schaffe. Wenn ich im Stechschritt wandern oder joggen will, kann ich das auch ohne Hund tun. Mit Hund bricht mir doch kein Zacken aus der Krone, wenn ich einfach mal fünf Minuten an einer Stelle stehe, bis mein Vierbeiner auch das letzte Molekül Geruch eingesaugt und abgecheckt hat. Im Gegenteil: Für den einen oder anderen von uns ist das doch eine geniale Gelegenheit, mal zu entschleunigen, in den Tag zu träumen, Wolkenbilder zu beobachten, Regenwürmer über den Boden kriechen zu sehen und die Sonne zu genießen. Und wenn es dann doch mal regnet und ich keine Lust habe, spazieren zu stehen, statt spazieren zu gehen, dann bricht auch meinem Hund kein Zacken aus der Krone, wenn an diesem Tag mal nicht so viel geschnüffelt wird, weil ich frierend etwas zur Eile dränge. Er hat ja an allen anderen Tagen die Gelegenheit dazu.

Schnüffeln ist wichtig!

Leute, lasst eure Hunde schnüffeln. Es macht ihnen Spaß, ist wichtig fürs Gehirn und verschafft uns ein wenig Zeit, die Seele baumeln zu lassen. Lasst sie einfach!

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Kommentare

6 Antworten zu „Es ist auch sein Spaziergang – Schnüffeln erlaubt“

  1. Helena

    Wie absurd sich ein „Nasentier“ an zu schaffen und das nicht schnüffeln zu lassen. Wie soll ich bitte interessante Schnüffelstellen frei geben wenn ich selbst doch fast nichts rieche…
    Damit untergräbt man sich ja auch selbst da die einfachste aller Auslastungsmöglichkeiten weg fällt.
    Mein Schatz darf grundsätzlich immer schnüffeln und wenn der Ort doch mal ungeeignet sein sollte ( mitten auf der Straße z.B.) bitte ich ihn einfach freundlich weiter zu gehen.
    Wenn eine schnüffelstelle außerhalb des Leinenradius ist zeigt er das sogar an ohne zu ziehen und als Belohnung darf er da dann auch hin. Klar war das Arbeit aber die hat sich für uns beide gelohnt.
    Viele Menschen machen sich gar keine Gedanken über die Bedürfnisse ihres Tieres, es soll bloß funktionieren das finde ich sehr traurig.

  2. Gabriele Robel

    Danke für den tollen Text.
    Mir kommt es auf unseren Runden ständig so vor, dass wir die einzigen sind ,die im Schnupper-Bummeltempo unterwegs sind. Wir sind die ersten auf der Runde und die letzten die nach hause kommen. Unglaublich wie flott die meisten ihre Runden abspulen.
    Gerade morgens liebt unser Jungspund es, die Nase auf den Boden zu klebenund lustig im Zickzack vor und zurück zu laufen. Klar kommt man sich manchmal etwas dämlich vor, ihm so auf seiner Runde zu folgen aber ……DAS wusste man ja schon bevor der kleine Kerl eingezogen ist …..mit Hund macht Mensch sich gern zum Affen ;-)
    Nach seinen Schnüffelrunden ist er so unglaublich entspannt und schläft zu hause wie ein Stein

  3. Nicole

    Meine Hündin ist eine Ultraschnupperin. Ich lasse sie das bisher auch ziemlich frei ausleben, aber ich muss zugeben, dass ich mir nicht sicher bin, ob es gut ist, den Hund so frei sein Ding durchziehen zu lassen. Meine Hündin ist, wenn sie schnuppert, und das ist eigentlich 90% des Spaziergangs der Fall, nur in ihrer Welt und scheint mich gar nicht mehr wahrzunehmen. Gut, wenn ich sie rufe dann reagiert sie in den meisten Fällen zwar und kommt auch zu mir aber sobald es weitergeht ist ihre Nase wieder am Boden und sie flitzt, wenn ich sie lasse kreuz und quer vor mir her und zieht auch leicht an der Leine. So macht der Spaziergang für mich nicht immer Spaß. Ich bin der Meinung, Rücksicht solle von beiden Seiten erfolgen. Auch von meiner Hündin mir gegenüber. Ich bin würde ihr gern beibringen, nicht nur auf die Ausenreize fixiert zu sein, sondern auch auf Ihre Begleitung,

    1. Liebe Nicole,

      vielen Dank für deine Nachricht.

      Da deine Hündin ja reagiert, wenn du sie ansprichst, ist sie nicht in ihrer Schnupperwelt völlig untergetaucht. Das heißt, sie konzentriert sich nicht nur auf ihre Umwelt, sondern auch auf dich. Insofern ist es schon ganz gut, wenn du sie ihr eigenes Ding durchziehen lässt.

      Der Rest ist dann eine Frage der Leinenführigkeit. Leinenführigkeit und viel, viel schnuppern schließen einander nicht aus. Du schreibst, dass sie „nur leicht“ an der Leine zieht. Das heißt, dass sie ja grundsätzlich schon leinenführig ist. Vielleicht kannst du das ja einfach mal öfters belohnen, wenn sie schnuppert und dabei die Leine locker lässt.

      Liebe Grüße,
      Sonja vom Hey Fiffi-Team

  4. Janika

    Hallo Sonja,

    grundsätzlich bin ich da ganz deiner Meinung. Problematisch wird das allerdings, wenn man im städtischen Gebiet wohnt, wo es seeeeehr viele Markierungen hat, und einfach nur von A nach B will.
    Mein Hund begleitet mich im Alltag überall hin mit, wo er mit darf, also fast überall außer zum Einkaufen. Und ein Auto haben wir nicht. Neben natürlich ausreichend Spaziergängen extra für den Hund, bei denen ausgiebig geschnüffelt werden darf, ergeben sich so viele Strecken bei denen man nicht immer die doppelte Zeit einplanen kann damit an allem geschnüffelt werden kann.

    Als praktikabel hat sich dafür bei uns erwiesen, den Hund auf der Seite mit weniger Reizen zu führen, also auf dem Gehweg eben nicht an der interessanten Hecke lang. Den Hund für das brav auf der Seite bleiben loben und bei besonders interessanten Schnüffelspots wie Straßenecken mit Bäumen ihn bewusst dort hin lassen. Zufriedener Hund, flottes voran kommen, kein rucken an der Leine :)

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