Hey Fiffi-Physiotherapeut Hardy Keller mit einem Fragenkatalog zu dem wichtigen Thema: „Was kann ich aus sozialen Medien mitnehmen und was nicht?“

Als Physiotherapeut für Tiere bin ich nicht blind für die Videos, die ab und zu in meinem Newsfeed auf Facebook erscheinen, in dem Hunde auf Balancepads und Bällen Gymnastikübungen absolvieren, die von vielen Likes und anerkennenden Hinweisen begleitet werden. Facebook bietet heutzutage für jeden Bereich kreative und impulsgebende Gruppen und Seiten, wo manches Mal auch ich noch staune, was es alles für Umme zu erfahren gibt. Ein Thema, über das ich mich mit meiner Frau immer wieder unterhalte.
Das Wohlbefinden des Hundes
Diese medialen Zugriffsmöglichkeiten sind ein Segen, dass sie aber auch durchaus ein Fluch sein können, das wird nicht unbedingt gern gehört oder gelesen. Ähnlich wie Hundetrainer teile ich hier gelegentlich das Leid, dass ich bei einem Hinweis, dass man doch bitte vorsichtig mit den gesehenen Anregung im Netz umgehen sollte, den lapidaren Kommentar ernte, man habe doch nur die eigenen Verdienstmöglichkeiten im Sinn. Allerdings habe ich nichts davon, wenn Herr Schmittmüller-Kleinfeld auf meine FB-Empfehlung mit seinem Hund zum Physiotherapeuten in NRW geht. Allerdings sein Hund! Und genau darauf kommt es mir und meiner Frau an, wenn wir wieder einmal einen dezenten Hinweis geben, dass es ratsam wäre, eine Übung, die den Bewegungsapparat des Hundes unterstützen soll, mit dem Fachmann vor Ort in Fleisch und Blut abzuklären. Meine Frau, Gruppengründerin und Seitenbetreiberin von Brain Train Your Dog mit Blick auf Auslastungsideen und Achtsamkeit im Umgang mit dem Hund, und ich würden uns wünschen, dass bei den vielen tollen Impulsen und Anregungen, die es im Netz zu finden gibt, vor allem eines im Vordergrund steht: das Wohlbefinden des Hundes, denn schließlich geht es bei Übungen doch genau darum.
Bewusstsein schaffen: Nicht jede Übung ist für jeden Hund geeignet
Wir würden uns wünschen, dass man als Impulsgeber oder Gruppenbetreiber bei den vielen Ideen, die man ins Netz stellt, nicht müde wird, darauf zu verweisen, dass nicht jede Übung für jeden Hund geeignet ist. Wir würden uns diesbezüglich Achtsamkeit erhoffen. Etwas, das wir, wo wir im Netz oder auf Seminaren aktiv sind, immer wieder versuchen, bewusst zu machen. Wir möchten niemanden gängeln, aber wir möchten darauf hinweisen, dass es sich lohnt, genauer zu prüfen, ob eine Übung, die man gut findet, sich für den eigenen Hund wirklich eignet. Hätte ich dabei nur meine Verdienstmöglichkeiten im Sinn, würde ich schweigen, mir die Hände reiben und mich auf meine zukünftigen Patienten freuen. Das kann ich aber nicht. Und will ich auch nicht. Das können wir nicht und wollen wir auch nicht. Meine Frau und ich fragen uns, wenn wir wieder einmal ein bedenkliches Übungsvideo im Netz sehen, wie viele Hunde kalt und unaufgewärmt in die Übung starten? Wir fragen uns, wie viele Hunde im Selbstversuch ihres Menschen ungünstig vom Ball abrutschen aufgrund mangelnder Absicherung oder gar irgendwo dagegen knallen? Wir fragen uns, ob der Mensch sicher weiß, dass die Übung seinem Hund taugt? Wir fragen uns, wie viele Hunde mit Futter in Material- und Objektkontakte gelockt werden, um die sie von sich aus einen großen Bogen machen würden, wäre da nicht die Ausblendung des Bewusstseins für Objekt und Material durch die Verlockung des Futters, das ihnen vor die Nase gehalten wird, damit sie auf das Objekt steigen.
Das Kleingedruckte kennen, auch wenn’s nirgendwo steht
In Anbetracht der vielen tollen Videos zu Übungen zur Stärkung von Muskeln und Bewegungsapparat, die im Netz zu finden sind, möchten wir den Blick auf den Weg hin zu diesen Resultaten legen, die es in solchen Videos zu bewundern gibt. Der Weg zum Resultat wird in den seltensten Fällen erwähnt, gezeigt oder gar näher beleuchtet. Als Nutzer ist man manches Mal auch viel zu selektiv und in seiner Zeit zu knapp bemessen, als dass man sich die allgemeinen Hinweise in den Dateien einer Gruppe oder eines Videos vorab zur Gemüte führen würde. Genau das kann aber helfen, einen Blick für die Dinge zu bekommen, die zu wissen wichtig wären, um Fehler zu vermeiden. Und wenn dort keine Hinweise zu finden sind? Dann zeugt das davon, dass sich jemand seiner Verantwortung nicht wirklich bewusst ist, das Video nur zur Präsentation des eigenen Erfolgs dienen soll oder dass die Übung in dem Video gar nicht dafür gedacht ist, dass man sie einfach mal so nachmacht. Daher möchten wir einige Fragen auflisten, die helfen können zu entscheiden, ob weitere Hilfen als die gegebenen von Nöten sind und wenn ja, welche und woher ich die mir fehlenden Informationen dann auch am zuverlässigsten für meinen Hund beziehe. Wir möchten niemanden an die Wand drängen oder gar bloßstellen oder per se Unachtsamkeit unterstellen, Gewiss nicht!
Hilfreiche Überlegungen vorab
Wir möchten mit den folgenden Fragen helfen, ein Bewusstsein dafür zu beschaffen, was bei Übungen zur Unterstützung des Bewegungsapparats zu beachten ist. Wir hoffen, dass diejenigen, die unsere Gedanken lesen, dies weitertragen, um anderen die Hilfe zu geben, die es braucht, um entscheiden zu können, wo der Rat eines Fachmanns hilfreicher ist, als die Anregung einer Übung, die man im Netz gesehen hat. Uns liegt es am Herzen, dass niemand aus Unwissen ungute Erfahrungen machen muss:
- Bin ich mir sicher, dass mein Hund physiologisch so fit ist, dass die Übung, die ich in dem Video sehe und nachmachen möchte, sich nicht kontraproduktiv auf den Bewegungsapparat auswirkt?
- Bin ich mir sicher, dass die Übungsanregung für meinen Hund und seine Bedürfnisse nützlich ist?
- Weiß ich tatsächlich, was mit dieser Übung alles gefördert werden kann? Und kenne ich tatsächlich auch die Gefahren, die in der Übung liegen, speziell auch die, die meinen Hund betreffen?
- Weiß ich, auf was ich bei dieser Übung alles achten muss, damit sie für meinen Hund effektiv ist?
- Habe ich den Raum für diese Übung und wenn ja diesen auch so abgesichert, dass alle Gefahrenstellen beseitigt sind? Und kenne ich alle Griffe, die notwendig sind, wenn mein Hund Hilfe benötigt?
- Weiß ich, was ich tun muss, um meinem Hund genau für diese Übung aufzuwärmen und was passieren könnte, ließe ich ihn kalt starten?
- Kann ich meinen Hund so genau lesen, dass ich weiß, wo er bei dieser Übung in einem Konflikt ist und wo er Hilfe braucht?
- Habe ich mir darüber Gedanken gemacht, wie ich meinen Hund an diese Übung heranführe und was er – abgestimmt auf seine Individualität – benötigt, um diese Übung im bestmöglichen emotionalen Wohlbefinden durchführen zu können?
- Kenne ich Alternativen und Zwischenschritte für Abschnitte der Übung, wenn mein Hund mit einzelnen Teilabläufen Probleme hat?
- Weiß ich, was zu tun ist, wenn es gar nicht klappt?
Kann ich solch wichtige Fragen nicht detailliert für mich und meinen Hund beantworten, dann muss ich diese Informationen einholen. Wenn es um die Gesundheit meines Tieres geht, ich diese durch Unwissen gefährden könnte, dann sollte ich sorgsam die Quelle für die mir fehlenden Informationen auswählen.
Gut gemeint, ist leider nicht immer gut gemacht.
Wenn man durch Unachtsamkeit im Jetzt für den Notfall in der Zukunft Hindernisse schafft, kann das äußerst dramatisch werden. Denn wenn der Notfall eintritt, ist nicht immer Zeit genug, um das, was man durch eventuelles Unwissen vermasselt hat, aufzufangen. Physiotherapie mit seinen spezifischen Geräten, in einem fremden Raum, mit einem zunächst fremden Menschen sind für manchen Hund Herausforderung genug. Zusätzliche Erschwernisse durch ungute Verknüpfungen in der Vergangenheit aufgrund von unzureichend begleiteten Heimübungen sind in meiner Praxis zum Glück noch selten. Ich hoffe, das wird auch so bleiben.
(Corinne und Hardy Keller, Agimed)
- Themenseite: Physiotherapie für Hunde
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