Wenn der Hund „irgendwie anders“ ist – Ein Erfahrungsbericht

Vor 5 Jahren zog unter traurigen Umständen Bisou bei uns ein, ein damals sechsjähriger Collierüde. Meine damalige Hündin war damals zwar noch fit, aber schon älter und ich freute mich über einen jüngeren Hund, den ich für den Alltag trainieren wollte. Beim Joggen sollte er mich begleiten, und vielleicht auch am Rad und am Pferd mitlaufen… So war die Idee… Von Ines Grötker

Bisou
Foto: Andrea von der Born

Ich kannte Bisou als er bei uns einzog zwar schon ein paar Jahre, aber damals habe ich ihn noch nicht unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass das mal mein Hund wird. Ich wusste, dass er nicht so auf Wasser steht und sehr an anderen Hunden interessiert ist. Er zog bei uns ein und ich begann, mit Marker und einem neuem Rückruf. Tja und das lief dann doch anders als gedacht. Die Reaktionszeit von Bisou war (und ist) irgendwie verzögert.

Irgendwie langsam

Markere ich zum Beispiel das Stehenbleiben an der Straße, erfolgt die Reaktion auf den Marker oft erst fast auf der anderen Straßenseite. Nach dem „Warte“ (=kurz anhalten) trullert Bisou noch mindestens fünf Meter weiter, bis eine Reaktion erfolgt. Nach dem Rückruf kommt Bisou höchstens gemächlich angetrabt (oder bleibt einfach stehen). Und ich habe viiieeeeele Verstärker probiert. Beim Tricksen oder gar Shapen muss ich in winzigen Schrittchen vorgehen und selbst da ist er sehr schnell gestresst und steigt aus. Wasser und Matsch geht gar nicht, da geht es angewidert im Zeitlupenschritt durch. Das heißt, im Winter gehen weder Felder noch Wald, sondern nur Asphalt. Joggen, Radfahren, am Pferd mitlaufen – alles nicht seine Hobbys. Eigentlich sind seine einzigen Interessen Schnüffeln und Markieren. Und ja , er wurde gründlich medizinisch durchgescheckt.

Bisou
Foto: Andrea von der Born

Erwartungen

Nach und nach kam die Erkenntnis, dass dieser Hund anders ist, als ich ihn mir so vorgestellt hatte und auch anders als viele andere Hunde, die ich kenne. „Die Leitung ist so lang wie die Nase“, trifft es oft ganz gut. Für mich waren viele Situationen recht ernüchternd. Ich musste lernen, viel Geduld zu haben und mich auch einfach von vielen Vorstellungen und Ideen verabschieden. Durch Bisou habe ich gelernt, den Hund auch einfach zu lassen, meine Erwartungen gänzlich zurück zu schrauben und vor allem, dass nicht alles trainierbar ist (zumindest nicht mit meinem Maß an Geduld).

Ganz anders

Vor zwei Jahren ist dann Winny bei uns eingezogen, ein Papillonmädchen und das krasse Gegenteil von Bisou. Wen wunderts: Das war eine bewusste Entscheidung von mir. Schnell, sowohl geistig als auch körperlich, fordert und fördert sie mich in ganz anderer Art und Weise und mit ihr kann ich all das machen, was mit Bisou nicht möglich ist. Bisou hätte sehr gut auf sie verzichten können. Allerdings denke ich, dass er auch von ihr profitiert, da ich an ihn einfach keine Erwartungen mehr habe. Er findet es toll, dabei zu sein und dafür was abzustauben, wenn ich mit Winny was übe. Und manchmal überrascht er mich, dass er sich dann etwas abguckt, oder weiß, nach welchen Signalen es zuverlässig tolle Sachen gibt. Wahrscheinlich ist er in Wirklichkeit superschlau und einfach nur extrem ökonomisch unterwegs. Die Hunderunden stimme ich auf die Bedürfnisse ab: Bisou bekommt seine Apshaltrunden, mit Winny gehts in den Matsch. Außerdem ist Bisou jetzt fast elf Jahre alt und geht auch gerne mal kürzere Runden.

Fazit

Bisou ist zwar definitiv nicht „mein Hundetyp“, trotzdem bereue ich nicht, ihn bei uns aufgenommen zu haben. Er ist ein sehr liebenswerter Kerl. Auf seine Art hat er mir viel beigebracht und hat meine Tochter zum Hundefan werden lassen. Mein Mann findet ihn super. Er entspricht viel mehr seinen Vorstellungen als Winny. Mein großes Fazit aus dem Zusammenleben mit dem Hund, der „anders“ ist: Man kann seine Erwartungen nicht einfach dem Hund überstülpen, sondern muss auch einfach einsehen, dass es Dinge gibt, die man mit einem Hund nicht erreichen kann und die mit diesem Hund vielleicht nicht trainierbar sind. Trotzdem kann man gut zusammen leben.

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Kommentare

5 Antworten zu „Wenn der Hund „irgendwie anders“ ist – Ein Erfahrungsbericht“

  1. Gabi

    Danke für den !
    Als wir uns unsere Fellnase (Eurasier, Rüde, 1 Jahr) geholt haben , hatten wir auch tolle Pläne …..auch wegen der Rassebeschreibung und vielen Erfahrungsberichten.
    Aber unser Rasi hat einfach die Rassebeschreibung nicht gelesen. Bei einigen Dingen setzen wir noch auf Zeit ;-) und das Ende der Pubertät :-D
    Aber um nichts in der Welt möchte ich einen anderen Wauzi an meiner Seite haben. Man bekommt also doch irgendwie immer den Hund den man braucht ;-)

  2. Susanne Böth

    Liebe Ines.
    Du hast bis auf ein paar Kleinigkeiten meinen Chyrokee beschrieben.
    Du hast ihn ja bei Martina erleben können.
    Er ist zuhause ein Traumhund.
    Nicht wie erwartet aber ich würde ihn nie eintauschen.
    Das Problem bin bestimmt ich.
    Es ist mir peinlich, wenn er so bellend und ungestüm rumspringend nicht auf mich hören mag.
    Statt ihn mental zu unterstützen „schäme“ ich mich für ihn.
    Du hast recht.
    Ich muss meine Erwartungen einfach vergessen und ihn so annehmen wie er ist.
    Danke für deinen Erfahrungsbericht.

  3. Katja

    Ich wünsche vielen, vielen Menschen diese Erkenntnis. Dass man dem Hund nicht seine eigenen Vorstellungen überhelfen muss. Das ein Hund sehr gut Hund sein kann, ohne alles haben zu müssen, was der Mensch sich so vorstellt.
    Ich hatte mit meiner Hündin auch tolle Pläne.
    Geworden ist davon nix. Sie darf jetzt einfach Hund sein. Ohne Wenn und Aber.
    Und der zweite kleine Hund setz das nochmal einen oben drauf und hat ganz viele eigene Ideen vom Leben, was uns sehr bereichert.

    1. Tatjana

      Ich musste beim lesen schmunzeln. Ich hatte vor vielen Jahren auch einen Sheltie übernommen. Ich hatte noch dazu einen Border und kannte mich überhaupt nicht mit Shelties aus. Ich bekam einen ruhigen gemütlichen Hund, auch sehr reinlich. Dann traf ich mal einen anderen Sheltie, der war zum einen viel kleiner und er war sportlich. Ich dachte bestimmt ein Mischling, denn meiner war reinrassig mit Ahnentafel. Da habe ich mal angefangen zu recherchieren und tatsächlich meiner war der außergewöhnliche Sheltie. Wir gingen trotzdem reiten, wir mussten egal in welcher Gangart eben alle paar Meter auf ihn warten. Der Border lief dafür mehrmals vor und zurück. So hat es dann auch gepasst. Leider ist es schon eine Weile her und beide leben nicht mehr. Ich vermisse Sie sehr. Viele Grüße

  4. Christine Schuster

    Danke für diesen Erfahrungsbericht. Ich habe seit fast 4,5 Jahren eine reinrassige Serra der Aires Hündin, die wir damals mit knapp 9 Wochen bekommen haben. Was wollte ich alles mit ihr machen. Joggen, Wandern, Agility oder Treibball. Leider konnte ich nichts davon umsetzen, da sie nach wenigen Minuten sofort über das Ziel hinausschießt und total gestresst ist. Tricktraining bzw. neue Tricks lernen, macht sie gerne, aber meist übermotiviert und hektisch, sodass es erstmal nicht im Gehirn ankommt. Hier bin ich in der Pflicht und muss geduldig und ruhig bleiben, was mir nicht immer leicht fällt. Leider wurde es das erste Jahr in der Hundeschule nicht bemerkt und ihr aufgedrehtes Verhalten entweder als Clown belächelt oder mit Respektlosigkeit uns gegenüber kommentiert. Leider ist in Stresssituationen kein Durchkommen zu ihr, was aber inzwischen in kleinen Schritten besser wird. Seit etwas über einem Jahr haben wir nun einen Rüden dazu bekommen. Er ist die Ruhe selbst und das trainieren mit ihm macht einfach Spaß. Allerdings ist auch er von der Hektik der Hündin teilweise genervt und dann knallt es wenn ich sie noch für rechtzeitig trenne.

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