Wie aus einem Hund „mein“ Hund wurde

Daniela Maletzki hat lange überlegt, ob sie zu diesem doch sehr persönlichen Thema einen Artikel schreiben soll, aber Fakt ist: Im Zusammenleben mit dem Hund ist nicht immer alles rosarot und es läuft nicht immer alles nach Plan. Manchmal läuft es sogar eher bescheiden. Also kann man auch so ehrlich sein und auch mal darüber berichten, wenn es nicht gut läuft. Deswegen dieser Artikel.

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Es war immer klar, dass nach Ginos Tod, recht schnell ein neuer Hund in mein Leben treten soll. Ich bin ohne Hund einfach kein ganzer Mensch, ich kann mir ein Leben ohne Hund nicht vorstellen.

Die glückliche Fügung

Durch einen günstigen Zufall, vielleicht auch durch eine glückliche Fügung, geschah dies sogar sehr viel schneller, als ich es gedacht hätte. Schon einen Monat nachdem ich Gino gehen lassen musste, zog Shadow bei mir ein. Genauer gesagt Shadow vom Bernet 2000, ein Deutscher Schäferhund aus einer Leistungszucht und schwarz noch dazu. Damit erfüllte dieser kleine Kerl erst einmal alle Vorstellungen, die ich von meinem zukünftigen Hund hatte.

Hört die Trauer auf?

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Also alles gut, das Leben geht weiter und die Trauer wird weniger? Das scheint zumindest die Vorstellung vieler Leute zu sein. Nun, bei Weitem nicht. Ich bin auch jetzt, 20 Wochen später und mit dem mittlerweile fünf Monate alten Shadow an meiner Seite, noch immer kein Stück mehr über Ginos Tod hinweg. Und gleich vorweg: Shadow ist kein Ersatz für Gino und das soll und sollte er auch nie sein, er ist mit Gino in keinster Weise zu vergleichen und das ist gut so. Er ist so ganz anders. Ein toller kleiner Kerl, mit einer Menge Potenzial (in beide Richtungen), der hoffentlich irgendwann ein souveräner Begleiter im Alltag, im Job und im Sport wird.

Er lernt unheimlich schnell, hat Spaß am Training, ist sehr sensibel und bekommt wirklich ALLES mit. Und wo Licht ist, ist auch Schatten, denn genau diese Eigenschaften führen auch dazu, dass er sehr anstrengend sein kann.

Es ist anstrengend

Sehr, sehr anstrengend sogar, im Grunde genauso, wie ich es vorhergesehen hatte, denn ich wusste ja, was ich mir da ins Haus hole.
Tatsächlich lag unser Problem in der ersten gemeinsamen Zeit aber ganz woanders. Ich konnte den kleinen Kerl am Anfang nicht annehmen. Offiziell, rein rechtlich, in jeder erdenklichen Weise, war Shadow mein Hund, nur auf der emotionalen Ebene nicht. Ich hatte mich für den kleinen Kerl entschieden, ich hatte alles für ihn vorbereitet, ich habe auf ihn gewartet, es war gut, als er endlich da war, ich habe ihn vom ersten Tag an versorgt und umsorgt, mit ihm gespielt und ihn trainiert und doch war er nicht MEIN Hund. Jetzt mag man denken: „Ist ja klar, so schnell nach dem Tod des alten Hundes, wie soll das auch funktionieren. Da ist man ja emotional noch gar nicht in der Lage, sich auf einen neuen Hund einzulassen.“ Das ist sicher auch irgendwo richtig, aber auch wieder nicht.

Ich war auf jeden Fall überrascht. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass wir solche Anlaufschwierigkeiten in Punkto Beziehungsaufbau haben könnten.

Der richtige Zeitpunkt?

Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass es nicht am Zeitpunkt lag. Ich kenne mich selbst ja nun schon eine Weile und ich weiß, es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn ich länger gewartet hätte. Egal, wann ein neuer Hund in mein Leben getreten wäre. Egal, welcher Hund es gewesen wäre und woher er gekommen wäre: Es hätte nichts geändert. Die erste Zeit wäre schwierig geworden. Hinterher ist man ja immer schlauer.
Die Alternative, eine längere Zeit ohne Hund zu leben, war eben für mich persönlich keine. Das hätte ich nicht überstanden.

In der Zwickmühle

Und natürlich tat mir das unheimlich leid für den kleinen Kerl und auch, wenn ich nicht mit diesem Problem gerechnet hatte, es fühlte sich auch ein Stück weit unfair und egoistisch an, Shadow dieser Situation auszusetzen.
Zumal sich der Kleine umgekehrt sehr schnell fest an mich gebunden hat und wirklich toll ist. Ich selbst wollte ja auch mehr, als ihn nur zu mögen. Ich wollte den kleinen Kerl liebhaben.

Was tun?

Was also tun? Schöne Situationen und Gelegenheiten schaffen, die uns guttun, zusammen Spaß haben. Dinge tun, die ich schon immer mal mit Hund machen wollte, die aber aufgrund von Ginos gesundheitlichem Zustand nie möglich waren. Und sich immer wieder in Erinnerung rufen, was er schon alles kann, wie vieles er schon richtig gut macht, was bei weitem nicht selbstverständlich ist. So sind wir dann im Juni für sechs Tage weggefahren, zur Obedience-Trainingswoche. Nur wir zwei, ich und der gerade mal 4,5 Monate alte und sich voll im Zahnwechsel befindende Shadow. Und trotz aller Bedenken im Vorfeld, wusste ich doch, dass das genau das war, was wir brauchten. Weg von zu Hause, raus aus dem Alltag, Zeit für mich, um zur Ruhe zu kommen und gemeinsame Zeit und Erfolgserlebnisse im Training. Dass wir letzteres haben würden, da war ich mir sicher. Und so hat mich der Kleine auch wirklich sehr stolz gemacht.

Damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch anstrengend war. Wir hatten beispielsweise nur Vorhänge vor den Fenstern des Hotelzimmers und es war morgens schon sehr früh hell und somit aus Shadows Sicht Zeit zum Aufstehen und mit zahnendem Hund hatte ich auch ein bisschen Angst um die Einrichtung des Zimmers und musste viel managen.

Der Durchbruch

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Aber trotzdem war das so ein kleines bisschen der Durchbruch.
Seitdem finden wir immer mehr zueinander. Nicht zuletzt auch durch eine Untersuchung in der Tierklink, unter Vollnarkose. Kein schöner Anlass, aber da ist mir so wirklich bewusst geworden, welche Sorgen ich mir mache und wie sehr ich will, dass es ihm gut geht. Und spätestens seitdem er entdeckt hat, wie toll kuscheln ist und dies auch einfordert, bin ich ihm verfallen. Was soll man auch machen, wenn er sich vor einem auf dem Boden kugelt, damit man ihm den Bauch krabbelt oder vor dem Aussteigen aus dem Auto erstmal eine Runde schmusen muss. Gegen Oxytocin bin ich machtlos.

Heute

Heute ist er mein kleines Meep(s)(i), wir wachsen immer mehr zusammen, ich sehe viel mehr die positiven Seiten und habe den Fokus wieder mehr auf dem, was gut läuft und was er schon alles kann. Er ist nach wie vor anstrengend, dem man seine Genetik einfach anmerkt, sicher kein Hund für Jedermann. Aber das muss er auch nicht sein, denn er ist MEIN Hund. Ich habe ihn lieb, sehr sogar. Auch wenn es echte Beziehungsarbeit war, die Entscheidung ihn aufzunehmen, war rückblickend, trotz aller Probleme, die richtige. Für die Zukunft habe ich einiges geplant, von dem ich hoffe, dass wir es gemeinsam umsetzen und erleben können. Und Gino wird dabei sein, in Gedanken und im Herzen.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Wie aus einem Hund „mein“ Hund wurde“

  1. Jutta

    Danke für die offenen Worte…ich hab’s ähnlich erlebt. 4 Monate nach dem Tod meines alten Hundes ist ein neuer Welpe bei mir eingezogen, mein absoluter Wunschhund. Wir hatten 3Wochen Zeit uns kennenzulernen und alles fühlte sich richtig und gut an. Ja, und dann war er da, nix mit kuscheln, kratzbürstig, beisswütig und sehr sehr unabhängig. Ich hab da sehr an mir gezweifelt… mittlerweile sind wir in einem ruhigen Fahrwasser und ein gutes Team, jetzt ist er meiner, auch gefühlsmäßig. Vielleicht ist man nach einer Sterbebegleitung auch einfach emotional ausgelaugt. Also noch Mal Danke, im Nachhinein weiss ich zumindest, dass es auch anderen so gehen kann. LG an euch beide, Jutta

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