„Muss das wirklich sein?“

Für Gino, der nicht wirklich weiß, dass er leidet

Vielleicht kennt uns der ein oder andere ja schon, aus den Artikeln und Videos, hier bei Hey-Fiffi. Wir, das sind meine Wenigkeit und Gino. Für alle, die uns noch nicht kennen: Gino ist ein Deutscher Schäferhund, geboren im Juli 2008 und damit zu diesem Zeitpunkt, zu dem ich (meines Zeichens Hundetrainerin und Hundephysiotherapeutin) diesen Artikel schreibe, 12 1/2 Jahre alt. Von Daniela Maletzki

Gino
Foto: Daniela Maletzki

Gino hat mich Zeit seines Lebens schon jede Menge Zeit, Geld und Nerven gekostet. Auch dazu gibt es ja bereits einen Artikel. Denn Gino ist krank, war schon immer krank und wird auch nie wieder gesund werden. Aber, genauso krank wie er ist, so stark ist er auch, ein Kämpfer.

Ein Kämpfer

Auch aktuell kämpft er gerade wieder. Um sein Leben. Darum, ein weiteres Mal wieder auf die Pfoten zu kommen. Eine weitere Krise, die wir hoffentlich gemeinsam durchstehen werden. Ein weiteres Mal unangenehme, teils schmerzhafte und in jedem Fall stressende Behandlungen für ihn und Tränen, Verzweiflung und schlaflose Nächte für mich. Rundum eine – man muss es so deutlich sagen – scheiß Situation. Und genau das ist der Grund, warum ich mich in den letzten Tagen mehrfach erklären musste. Ich musste erklären, warum dieser Hund überhaupt noch lebt. Krank ist er wie gesagt, schon immer, aber eine lange Zeit hat man ihm das nicht angesehen. Dass er alt ist, ja, das war irgendwann offensichtlich.

„Er ist doch eh schon alt“

Nun sieht man ihm sowohl das Alter als auch die Krankheit an und plötzlich sehe ich mich ständig damit konfrontiert, dass Leute zwar fragen, was mir ihm los ist, aber dann abwinken, wenn sie hören, wie alt Gino ist. So nach dem Motto: „In dem Alter kann/muss man eh nix mehr machen“. Und natürlich sind uns diagnostisch und therapeutisch Grenzen, durch sein Alter, durch seine Vorerkrankungen gesetzt. Nur ist es nicht das, was die Leute meinen. Wieder andere sind der Meinung, man müsse dem Hund das ja nun wirklich nicht mehr zumuten. Geht ihr nicht mit euren Hunden zum Tierarzt? Sind die noch nie krank gewesen oder verletzt? Geht ihr selbst nicht zum Arzt? Stellt ihr das ab einem gewissen Alter ein? Darf eure Oma noch zum Arzt gehen? Ich höre entweder: „Ach ja, der hat ja nun auch sein Alter“ (ab einem bestimmten Alter lohnt es wohl nicht mehr, viel zu investieren und dann muss es einen wohl nicht mehr kümmern) oder aber ich höre: „Der arme Hund!“

Unterstellungen

Unterschwellig wird also einerseits unterstellt, dass ich zu viel Aufwand betreibe und andererseits, dass ich meinen Hund leiden lasse. Ja was denn nun? Dass es ihm nicht gut geht, er momentan auch mal Schmerzen hat, lässt sich in der Tat nicht leugnen. Und klar, allein für das Geld, was ich in den letzten Tagen investiert habe, hätte ich mir locker zwei, drei junge, gesunde Hunde kaufen können. Also finanziell betrachtet, hat sich das sicher nicht gelohnt.

Einschläfern?

Aber ihn deswegen einschläfern lassen? Weil er viel Geld kostet, das Leben für mich nicht mehr so bequem ist, wie noch vor zwei Wochen? Ab wann ist es ein Hund denn nicht mehr wert, dass man alles nur Mögliche und natürliche Vertretbare für ihn tut? Der ach so arme Hund will leben… Er kämpft, er hat noch nicht aufgegeben. Ich kenne meinen Hund. Sehr gut, sehr lange, habe schon viele Krisen mit ihm durchgestanden (und er mit mir). Ich musste in den letzten Tagen Entscheidungen treffen im Sinne meines Hundes. Ich musste Dinge akzeptieren, so schwer es mir auch fällt. Und das habe ich getan, tue es noch.

Ein Versprechen

Ich habe Gino schon vor langer Zeit ein Versprechen gegeben, dass ich ihn niemals aus reinem Egoismus bei mir halten werde, wenn er nicht mehr kann und dass er jederzeit gehen darf, wenn er mir signalisiert, dass der Kampf für ihn beendet ist. Und ich werde mich daran halten.

Ich kümmere mich

Und jetzt kommts: Ich habe tatsächlich schon organisiert, was nach seinem Tod passieren soll. Ich habe mich mit einem Tierbestattungsinstitut und mit meinem Haustierarzt in Verbindung gesetzt und alles soweit geregelt, dass es am Tag X nur noch eines Anrufes bedarf.

Wie mans macht…

Und natürlich ist das jetzt auch wieder nicht richtig, weil ich damit ja alle Hoffnung und meinen Hund aufgegeben habe.
Nein, ganz im Gegenteil. Ich möchte auch was das angeht, alles im Sinne meines Hundes geregelt haben. Und ich habe das gerade jetzt getan, weil ich Hoffnung habe. Hätte ich die nicht, wäre ich aktuell gar nicht dazu in der Lage gewesen und wenn es soweit ist, werde ich das auch nicht sein. Außerdem brauche ich die Gewissheit darüber, wie es laufen wird, für Gino, für mich. Es ist also im Grunde, wie es immer ist: Wie man es macht, es ist verkehrt.

Jeder weiß es besser

Plötzlich wissen es alle besser. Die kennen zwar weder den Hund noch mich gut genug, um die Situation beurteilen zu können, aber das hält sie nicht davon ab es trotzdem zu tun. Ja, manches ist nicht böse, sondern ganz im Gegenteil gut gemeint, aber ich habe aktuell nicht die Nerven für so was. Wir benötigen auch keine Tipps von medizinischen Laien, die uns im Grunde nur ein Nahrungsergänzungsmittel andrehen wollen. Und ja, ich schreibe diesen Artikel, während mein Hund sehr krank ist und mich braucht. Ich nehme mir die Zeit dafür, diesen Artikel zu schreiben. Auch böse, ich weiß.

Gino juckt das nicht

Zum Glück bekommt Gino von all dem nichts mit. Ihm ist es egal, was andere denken (mir im Grunde auch, aber die Nerven…). Er liegt neben mir auf der Couch und schläft (sich hoffentlich „gesund“) und ist auch ansonsten momentan auf einem guten Weg, wird von Tag zu Tag immer mehr der Alte.

Und ich bin nicht die Einzige, die sich rechtfertigen muss.

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Kommentare

6 Antworten zu „„Muss das wirklich sein?““

  1. Anja

    ich drücke Dich einfach mal ganz doll♥️ Du machst es gut und richtig!
    meine beiden ehemaligen Streuner sind 10 und 12 Jahre alt…ich verstehe Dich!

  2. G. Feiling

    Eine schwierige Situation. So lange man den Eindruck hat der Hund will noch und hat keine Schmerzen finde ich es ok. Aber – ich habe vor zwei Jahren diese Situation gehabt bei einer meiner Dackelinen und gesehen wie es ist wenn da keine Schmerzen mehr sind und würde mich heute viel eher für eine Verabschiedung entscheiden, so hart das auch klingt. Alles andere ist und war Quälerei. Ich wünsche mir für Deinen Hund das Du die richtige Entscheidung in seinem Sinne treffen wirst.

  3. Martina

    Danke für diesen Text ❣
    Du sprichst mir aus der Seele. Ich habe damals auch sehr oft erklären müssen. Mit 12 noch eine große OP machen lassen. Er wollte einfach noch nicht gehen. Danach hatte ich einen sehr lebenslustigen Pflegefall, der sich gut erholt hat und letztendlich mit fast 17 alt und dement gegangen ist.
    Ich würde es immer wieder so machen. Hört auf euer Bauchgefühl.❤❤

  4. Nicola

    Ich wünsche dir und Gino ganz viel Kraft und schicke dir eine dicke Umarmung!
    Ich kann deinen Schmerz nachempfinden!
    Bleib stark und folge deinem Herzen- nichts anderes zählt!

  5. Caroline Kamm

    Bin momentan in einer ähnlichen Situation. Unser Rias, im April wird er 13 Jahre, ist ein Labrador. Seit Herbst hat er immer wieder Durchfall, dann geht es wieder und dann beginnt alles von vorne. Dieses Wochenende war ganz schlimm und momentan ist er beim Tierarzt an der Infusion wegen dem Flüssigkeitsmangel. Am Abend kann ich ihn wieder abholen. Ultraschall ist gemacht, es ist kein Tumor, jetzt warten wir auf die Laborwerte.
    Wann soll ich ihn gehen lassen, ich will nicht das er leidet, aber vielleicht wird ja alles wieder gut. Ich bin hin und her gerissen. Das ist so eine schwere Entscheidung. Ich hoffe auch Rias zeigt mir wann es Zeit ist.

  6. Verena W.

    Du schreibst mir aus der Seele! Ich hätte ähnliche Erfahrungen mit meinem alten Dackel. Ich musste quasi sein ganzes letztes Jahr über mich immer wieder erklären, warum ich ihn nicht endlich erlöse. Ja, er war dement. Ja, er war bereits inkontinent. Ja, unsere Gassirunden waren auf das allernötigste reduziert, weil er mehr einfach nicht mehr geschafft hat. Und ja, hatte das, was Tierärzte als Schlaganfall beim Hund bezeichnen. Trotzdem hat er sein Leben noch genossen. Eines Tages hat er mir morgens in die Augen geschaut und mir mitgeteilt, dass es nun so weit ist. Und ich bin heute nach wie vor froh, dass ich mich von niemandem habe zu übereilten Entscheidungen überreden lassen. Auch wenn es gefühlsmäßig immer wieder ein Drama war.

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