Das Thema Kind und Hund erhitzt oft die Gemüter – hat doch jeder seinen eigenen Standpunkt. Gerade in sozialen Netzwerken führt dies oft zu sehr emotionalen Diskussionen. Unter Bildern und Videos, auf denen Kinder Hunde massiv bedrängen, liest man Kommentare wie „Mei, ist das süß – ein tolles Kind-Hund-Team“. Es ist auch eine schöne Vorstellung, wenn Kind und Hund unzertrennlich sind – für den Hund ist dieses Ideal aber häufig mit sehr viel Stress oder gar Angst verbunden. Warum ist das so? Aurea Verebes, Mit-Autorin der Buchreihe „Verstehen, Staunen, Trainieren, Entdecken“ teilt ihre Erfahrungen.
Hunde sind Fluchttiere
Ja, klingt komisch, denn Hunde sind ja keine Pferde. Aber auch sie, wenn sie sich bedrängt oder bedroht fühlen, folgen ihrem Instinkt und flüchten. Ist ihnen eine Flucht aber nicht möglich, weil sie eingeengt werden, wählen sie häufig die nächste Überlebensstrategie: das Nach-Vorn-Gehen, um sich Platz zu schaffen. Betrachtet man mit diesem Wissen nun ein Bild von einem Kind, das auf einem Hund liegt, der Hund auf der Couch – also ohne eine Möglichkeit, sich zurückzuziehen – ist klar, dass diese Situation absolut nicht süß ist! Unsere Hunde sind sehr geduldig mit uns Menschen. Sie ertragen viele, kleine Hände, die in ihrem Gesicht hantieren und Kinder, die sich auf ihren Körper legen. Sie unterdrücken den Impuls aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen. Dass diese Situationen zu ernsthaften Konsequenzen wie einem Beißvorfall führen können, ist vielen Eltern nicht bewusst. Deswegen sind drei zentrale Fragen in der Bissprävention für jeden Hundehalter wichtig.
Drei Fragen
- Der Geduldsfaden: Weiß ich, wann meinem Hund die Geduld ausgeht und er plötzlich beginnt, Drohverhalten zu zeigen oder gar zu beißen?
- Die Gelassenheit: Kann ich sichergehen, dass mein Hund, wenn mein Kind versehentlich eine empfindliche Stelle des Hundes berührt, nicht reflexartig reagiert und schnappt?
- Die Vernunft: Kann mein Kind von sich aus einschätzen, wann mein Hund keine gemeinsame Interaktion möchte?
Wenn du nur eine dieser Fragen mit NEIN beantwortest, ist es höchste Eisenbahn, sich um die Sicherheit von Kind und Hund Gedanken zu machen. Es stellt sich also die Frage nach einer Alternative.
Beobachten und Interpretieren
Wichtig ist, zu beobachten. Es gibt einige Anhaltspunkte, die Aufschluss darüber geben, wie dein Hund sich fühlt: der Gesichtsausdruck, die Ohren-und Rutenstellung, die Körperhaltung und für erfahrene „Körpersprache-Experten“ der Muskeltonus. Viele der Stress- und Konfliktzeichen kennen wir auch von uns – ein angespannter Kiefer, wenn wir gestresst sind, die Stirn gerunzelt (Sorgenfalten), die Augen geweitet oder zusammengekniffen. Wenn wir Angst haben, bleiben wir oft wie angewurzelt stehen. Analog dazu gibt es dieses Phänomen auch beim Hund: das „Einfrieren“ – wir deuten dieses „Einfrieren“ oft als gelassenes Stehen-, Liegen- oder Sitzenbleiben. Deswegen ist genaues Hinsehen so wichtig. Es ist nie nur ein Stresszeichen, welches der Hund zeigt, sondern viele, die sich wie ein Puzzle zusammenfügen und ein Bild ergeben – das eines gestressten Hundes.
Wie können Kinder das verstehen?
Kinder, die sich treffen und unterschiedliche Sprachen sprechen, verständigen sich einfach mit Händen und Füßen – ganz so wie ihre felligen Freunde. Denn auch sie „unterhalten“ sich untereinander – und sepziesübergreifend – über ihren Körper. Wenn wir uns also ein Beispiel an unseren Kindern nehmen und uns unvoreingenommen auf in die Welt unserer Hunde machen, beginnt eine spannende Reise in Sachen Körpersprache für die ganze Familie. Der erste Schritt für ein besseres Verständnis ist also das Beobachten des Hundes. Kleinere Kinder können den Hund auch malen – den Fokus auf ein bestimmtes Körperteil gelenkt, kann eine Interaktion zwischen Kind und Hund entstehen, die deinem Hund genügend Freiraum schafft und dein Kind animiert, genauer hinzuschauen. Das Bild wird aufbewahrt – vielleicht kommen auch noch mehr dazu, damit ein „Hunde-Malbuch“ entstehen kann.
Regeln schaffen Sicherheit
Der zweite Schritt ist das Aufstellen von gemeinsamen Regeln. Warum braucht es Regeln? Hunde müssen sich in unserem menschlichen Alltag zurechtfinden. Eine Struktur unterstützt das Kind-Hund-Team darin, zusammenzuwachsen und schafft einen Rahmen, der beiden Sicherheit gibt. Wie könnten sinnvolle Regeln aussehen? Es könnte zum Beispiel ein Stundenplan sein, der Spiel- und Ruhezeiten festlegt. Oder ihr erstellt gemeinsam einen Trainingsplan für Tricks oder gemeinsames „Hundefernsehen“ – das Beobachten der Bewegungen des Hundes. Wichtig ist, dass ihr euch gemeinsam an den Tisch setzt und euch überlegt, was euer Hund für Bedürfnisse hat. Dein Hund benötigt Ruhe/Schlaf – viel mehr als wir Menschen. Eine Regel könnte deswegen sein, den Hund nicht anzufassen oder zu wecken, wenn er ruht oder schläft.
Gemeinsam geht´s besser
Wenn ihr euch Schritt für Schritt darin annähert, Hunden und Kindern gleichsam gerecht zu werden und auf die Bedürfnisse aller Rücksicht zu nehmen, ist ein sehr guter Grundstein für eine zauberhafte Freundschaft gelegt.
Über die Autorin Aurea Verebes
Gründerin des Canimos Verlages und Mit-Autorin der Kinderbuchreihe “VersteHen, StaUnen, TraiNieren, EntDecken”.
2017 gründete sie zusammen mit Nerina Aupperle die Kidogs GbR. – ein Unternehmen, welches sich auf In- und Outdooraktivitäten für Kind und Hund spezialisiert hat.
Seit 2018 ist sie Referentin und Autorin zum Thema “Bissprävention” und “Kind und Hund”.
- Themenseite: Kind und Hund
- Themenseite: Hilfe, mein Hund beißt!
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