Selbstbestimmung für Hunde? Was soll das denn sein, so ein Quatsch werden jetzt sicherlich viele denken. Der Hund hat das zu tun, was ich ihm sage und wann ich es ihm sage und er soll nicht darüber „diskutieren“. So ist (leider) immer noch die verbereitete Meinung über das Zusammenleben mit Hunden und deren Erziehung. Aber vielleicht kann die ganze Mensch-Hund Beziehung sogar davon profitieren, wenn der Hund auch mal etwas entscheiden darf? Ines Grötker hat sich darüber Gedanken gemacht, was Selbstbestimmung für Hunde bedeuten könnte.
Vor allem für Hunde aus dem Tierschutz, die womöglich ihr bisheriges Leben auf der Strasse verbracht haben, bedeutet der Einzug in einen Menschenhaushalt eine radikale Veränderung ihres bisherigen Lebens. Waren sie daran gewöhnt, alle ihre Entscheidungen bisher selbst in die Pfote zu nehmen, wird ihnen auf einmal alles vorgeschrieben. Der Mensch entscheidet, wo der Hund liegen soll, wann und was er zu fressen bekommt, wann und wie oft es rausgeht. Draußen ist es mit der freien Entscheidung auch nicht mehr gut bestellt. Eingeschränkt durch die Leine, entscheidet auch hier wieder der Mensch wo es langgeht, wie lange geschnüffelt wird, ob es zu Hundekontakten kommt. Meistens wird verhindert, dass der Hund Essbares aufnimmt und so weiter.
Kontrolle
Wenn mir dann manch einer erzählt, er glaube, dass sein Hund ihn Kontrollieren möchte, dem kann ich nur raten, mal zu überlegen, wo denn der Hund bitteschön überhaupt noch Möglichkeiten zu Kontrolle hat? Meiner Meinung nach, bleibt da nicht mehr viel übrig. Wie mag sich das anfühlen, wenn man keinerlei Kontrolle (mehr) über sämtliche Bereiche seines Lebens hat? Bestimmt nicht schön, oder? Je nach Typ, werden die Einen extrem frustriert werden und den aufgestauten Frust auch irgendwann rauslassen, die anderen werden sich eventuell in die Passivität flüchten und von selber gar nichts mehr machen.
Mitspracherecht
So oder so, ich möchte mit meinen Hunden gerne so zusammenleben, dass alle sich wohlfühlen und dazu gehört für mich auch ganz klar eine Mitspracherecht für meine Hunde! Wie sieht es denn jetzt aus dieses Mitspracherecht? Stimme ich mit meinen Hunden immer per Pfoteheben ab, wenn eine Entscheidung ansteht? Ganz so demokratisch sieht es dann doch nicht aus. Aber es sind viele kleine Bereiche und Dinge, die meine Hunde mitgestalten können und dürfen. Etwas ganz Einfaches, was wirklich jeder mit seinem Hund machen kann, ist es, seinem Hund doch mal verschiedene Kauartikel hinzulegen und ihn dann aussuchen zu lassen. Auch die gefräßigsten Exemplare nehmen sich hier die Zeit, um sich tatsächlich etwas auszusuchen (ich habe es selber kaum glauben können ;-) ). Ein anderes, einfaches Beispiel ist es, den Hund doch einfach mal den Spazierweg selbst aussuchen zu lassen. Lauft doch mal euren Hunden hinterher, dorthin, wo sie es gerade gerne möchten. Das kann auch für einen selber mal ganz spannend sein.
Kooperation
Meine Hündin Winny bekommt beim Geschirranziehen immer einen Moment Zeit, indem ich darauf warte, bis sie mir „das Ok“ zum Anziehen gibt. Wenn sie bereit ist, steckt sie ihren Kopf von selber durch das Geschirr. Ohne dieses kleine „Mitspracheritual“ findet sie Geschirranziehen doof. Bei Körperpflegemaßnahmen oder beim Tierarzt kann man mit seinem Hund auch ganz wunderbar ein Mitspracherecht aufbauen und sich und dem Hund so jede Menge Stress ersparen. Medical Training
Versprechen halten
Wichtig finde ich jedoch, dass man sich auch an das hält, was man seinem Hund „verspricht“. Hat er zum Beispiel gelernt, dass er mir in bestimmten Situationen zeigen kann, wann er bereit ist, dann muss ich ihm auch die Zeit lassen! Übergehe ich das dann doch, ist das ein nicht schöner Vertrauensbruch. Wenn ich die Zeit gerade nicht habe, dann „frage“ ich meinen Hund in dem Moment halt mal nicht, ob und wann er bereit ist. Dann geht es vielleicht auch mal direkt ins Auto oder wir gehen nicht den Lieblingsweg, sondern den direkten Weg nach Hause.
„Nein“ sagen dürfen
Und ja, meine Hunde dürfen auch mal „Nein“ sagen! Geht es beim Tierarzt zum Beispiel nur um eine nicht dringende Routineuntersuchung und mein Hund zeigt mir aber auf dem Tierarzttisch, dass er gerade nicht kooperieren kann (mag), dann gehe ich an dem Tag unverrichteterdinge auch wieder nach Hause! Schließlich habe ich meinen Hund mittels Kooperationssignal gefragt, ob er bereit ist mitzumachen. Sagt er „Nein“, so muss ich das aktzeptieren, ansonsten mache ich mir wertvolles Training und Vertrauen wieder zunichte!! (Ich spreche hier nicht von Notfallsituationen). Es gibt also viele kleine Bereiche, die ich so gestalten kann, dass meine Hunde auch etwas mitbestimmen können. Ich glaube, dies macht viele Hunde zu zufriedeneren Tieren, die dadurch bestimmt nicht an Machtgier erkranken und nur noch das machen, was sie gerade möchten. Im Gegenteil. Dadurch, dass ich auf meine Hunde eingehe und ihnen Kontrollmöglichkeiten gebe, kann eine sehr schöne, vertrauensvolle Kommunikation überhaupt erst stattfinden.
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