„Ich will nen Tierschutzhund. Der kann mit allen!“ – Mythbuster

Vorher:
„Ich will nen Tierschutzhund. Am besten von der Straße. Die sind immer so sozial mit anderen Hunden.“
„Also mein nächster Hund kommt aus nem Shelter. Da leben die mit so vielen Hunden zusammen, dann kann der mit allen!“

Nachher:
„Meiner war mit drei Hunden auf einer Pflegestelle. Ich weiß gar nicht, warum der sich so aufführt!“

Ist das wirklich so? Ist ein Hund aus dem Tierschutz automatisch best Buddy mit allen Hunden aus der Nachbarschaft? Sonja Meiburg klärt auf.

Mythbuster
Foto: Lara Meiburg Photogaphie

Gestern panischer Anruf in unserer Hundeschule: „Mein Mischko ist jetzt seit zwei Wochen bei uns. Eben haben wir zum ersten Mal den Nachbarshund getroffen. Mischko hat laut gekreischt und sich hinter meinen Beinen versteckt. Als der Nachbarshund ihn begrüßen wollte, hat Mischko nach ihm geschnappt. Ich versteh das nicht! Er kommt aus einem Shelter und da leben doch so viele Hunde zusammen. Tierschutzhunde mögen andere Hunde doch so gerne. Warum macht er das und können Sie das bitte sofort abstellen? Ich trau mich ja kaum noch aus dem Haus.“

Auf der Straße

Schauen wir uns doch die Lebensbedingungen deines ehemaligen Shelterhundes mal genauer an.
Weißt du überhaupt, wie dein Hund gelebt hat, bevor er ins Shelter kam? War er ein Straßenhund? Straßenhunde leben manchmal allein, manchmal zu zweit, manchmal in Gruppen. Ein Leben auf der Straße hat wenig mit Romantik zu tun. Andere Hunde bedeuten (nicht nur) Nahrungskonkurrenz. Da kann es auch mal hart zur Sache gehen. Das Leben zu zweit oder in einer Gruppe bietet mehr Sicherheit, auch vor Angriffen anderer Hunde. Das bedeutet, dass sich dein Hund vielleicht in einer Gruppe, die er sich selbst ausgesucht hat, sicher gefühlt hat. Das bedeutet nicht, dass er alle anderen Hunde außerhalb dieser Gruppe toll gefunden hat. Die waren vielleicht oft genug eine permanente Bedrohung für ihn.

Im Shelter

Kannst du dir vorstellen, wie es dann eventuell im Shelter weiterging? Es gibt sehr gut geführte Shelter. Es gibt aber auch welche, die aus Geldnot heraus mit ganz wenigen Ressourcen versuchen, Hunde zu retten. Saubere, trockene Liegeplätze sind in so einem Fall rar und durch Stammgäste okkupiert. Manchmal schmeißt jemand pro Tag einen großen Sack Futter in die Hundemenge. Manchmal auch nicht. Dein Hund konnte aber nicht einfach abwandern. Er hat sich diese Situation nicht ausgesucht. Er musste vielleicht um alles, was lebensnotwendig für ihn war, kämpfen. Und wer waren dabei seine Gegner? Andere Hunde.

Auf der Pflegestelle

Vielleicht hatte dein Hund das Glück, auf eine gut geführte Pflegestelle zu kommen. Dort konnte er vielleicht schon ganz langsam und liebevoll etwas Vertrauen in die dort lebenden Hunde aufbauen. Für solche Pflegestellen kann ein Tierschutzverein unendlich dankbar sein. Ab und zu gibt es aber auch Pflegestellen, die eine Zusammenführung nach dem Motto angehen: „Die machen das unter sich aus“. Das kann im schlimmsten Fall in Beißereien ausarten. Und wieder hat dein Hund schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht. Wieder ein kleines Kreuzchen auf der „Ich find Hunde scheiße“-Skala.

Der Nachbarshund

Wenn du dir mal überlegst, wo dein Hund herkommt, was er alles erlebt hat, was ihm alles widerfahren ist. Könnte es dann sein, dass der Nachbarshund für deinen Neuzugang nicht automatisch ein Quell unbändiger Freude ist? Dass dein Hund Angst hat, anderen Hunden zu begegnen? Dass er der Meinung ist, sich schützen zu müssen?

Mythbuster

Dass alle Tierschutzhunde automatisch super sozial sind, ist ein Märchen! Natürlich kannst du das Glück haben, einen Hund aus dem Tierschutz zu übernehmen, der wirklich sozial ist. Einen, der keine so argen Erfahrungen gemacht hat und der andere Hunde dufte findet. Solche Hunde gibt es! Aber es ist eben keine Selbstverständlichkeit oder sogar ein Automatismus, dass dein Hund andere Hunde voll knorke findet, nur weil er mal mit anderen Hunden zusammengelebt hat. Geh also mal getrost davon aus, dass dein Neuzugang zunächst eine kleine Wundertüte ist. Hilf ihm mit Sinn und Verstand, deine Welt zu entdecken und den Nachbarshund langsam und mit viel Geduld kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht werden die auf Dauer unzertrennlich und sind dann wie Arsch auf Eimer!

Hast du auch einen Hund aus dem Tierschutz, der in deiner Nachbarschaft einen neuen besten Kumpel oder eine Kumpeline kennengelernt hat? Dann poste das Foto dazu doch auf unserer Facebook-Seite. Wir freuen uns!

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