Welcher Typ Hundetrainer darf‘s denn sein?

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der FAIR statt fies Blogparade 2019

Wie findest du einen Hundetrainer, der zu dir und deinem Hund passt?

Gar nicht so einfach, denn in Deutschland ist der Beruf des Hundetrainers nicht geschützt. Jeder kann sich Hundetrainer nennen, ohne jemals eine fundierte Ausbildung absolviert zu haben.

Wie schaffst du es, im Dschungel der unterschiedlichen Trainingsmethoden und Trainingsphilosophien eine qualifizierte Entscheidung zu treffen?

Trainer finden

Diese drei Schritte können dir dabei helfen:

1. Schritt: Ein Ausflug in die Grundlagen der Lerntheorie

Egal, in welche Trainingsphilosophie ein Trainer seine Methoden verpackt, welche Mythen und Geschichten er darum spinnt, im Grunde lassen sich jegliche Methoden, durch die der Hund ein bestimmtes Verhalten erlernt oder auch unterlässt entweder mit Klassischer Konditionierung oder mit den vier Quadranten der Lerntheorie erklären:

Klassische Konditionierung – Lernen durch Verknüpfung

Bestimmt hast du schon von Ivan Pavlov, seinen Hunden und der Glocke gehört.

Jedes Mal, bevor Pavlov seinen Hunden etwas zu fressen gab, hat er eine Glocke geläutet. Ein neutraler Reiz (Glocke) wurde damit für die Hunde zur Ankündigung von Futter und schon bald war das Läuten der Glocke ausreichend, um bei den Hunden Speichelfluss auszulösen.

Arbeitet ein Trainer mit Klassischer Konditionierung, so verknüpft er mit einem Reiz automatisch auch eine Erwartungshaltung und ein bestimmtes Gefühl in deinem Hund, die so genannte Konditionierte Emotionale Reaktion (CER)

Ein Beispiel für eine freudige Erwartungshaltung im Hund ist die Konditionierung des Klickers. Ein neutraler Reiz (Klick) wird zur Ankündigung von etwas Tollem (Futter), das dein Hund freudig erwartet. Durch die Glückshormone wird dein Hund motiviert, weiterhin Verhalten zu zeigen, zu wiederholen und auszuprobieren.

Genauso kann dein Trainer aber auch eine ängstliche Erwartungshaltung im Hund konditionieren, zum Beispiel indem er mit einer Kette rasselt (neutraler Reiz), bevor er die Kette tatsächlich auf deinen Hund wirft, um ihn mit diesem Schreckreiz von einem unerwünschten Verhalten abzuhalten. In Zukunft wird dein Hund alleine durch das Rasseln der Kette erschrecken und Angst empfinden. Sein Verhalten wird dadurch gehemmt.

Die Vier Quadranten der Lerntheorie – Lernen durch eine bestimmte Konsequenz

  1. Positive Verstärkung (+R) = etwas Angenehmes wird hinzugefügt (z.B. Leckerli, Spielzeug, Belohnungen aus der Umwelt). Dein Hund zeigt das Verhalten in Zukunft öfter. Z.B. Dein Hund setzt sich und bekommt dafür sein Spielzeug oder ein Leckerli. Die Emotion deines Hundes ist Freude
  2. Negative Strafe (-P) = etwas Angenehmes wird entfernt (z.B. Aufmerksamkeit). Dein Hund zeigt das Verhalten in Zukunft seltener. Z.B. dein Hund springt an dir hoch, du drehst dich um und gehst weg. Die Emotion deines Hundes ist Enttäuschung und Frustration.
  3. Negative Verstärkung (-R) = etwas Unangenehmes wird entfernt (z.B. Druck auf den Hintern lässt nach). Dein Hund zeigt das Verhalten in Zukunft öfter und schneller. Z.B. du drückst auf den Hintern deines Hundes so lange, bis er sich hinsetzt. Die Emotion deines Hundes ist Erleichterung.
  4. Positive Strafe (+P) = etwas Unangenehmes (Schmerz- oder Schreckreiz) wird hinzugefügt (z.B. Leinenruck, Wasser aus einer Spritzpistole, ein Stoß aus einem Sprühhalsband, Wurf mit einer Rasselkette, ein Zischen, verbunden mit einem Stoß in die Seite). Dein Hund zeigt das Verhalten in Zukunft seltener. Die Emotion deines Hundes ist Angst.

Richtig angewandt funktioniert das Lernen durch klassische Konditionierung und die vier Quadranten bei jedem Lebewesen.

Die Frage ist nun eine rein ethische: Wie weit willst du gehen? Welche der vier Quadranten möchtest du bei deinem Hund einsetzen? Welche sind für dich tabu?

Um dir darüber klar zu werden, kannst du die einzelnen Quadranten mit Farben markieren:

grün = mit diesen Trainingsmethoden möchtest du arbeiten
gelb = diese Trainingsmethoden möchtest du nur selten und in einem begrenzten Rahmen einsetzen
rot   = diese Trainingsmethoden lehnst du ab

Quadranten der Lerntheorie

Schritt 2: Werde dir darüber klar, wie dein Hundetrainer arbeitet

Wie findest du nun einen Hundetrainer, der für dich erwünschte und akzeptable Trainingsmethoden anwendet? Hier kommen nun die unterschiedlichen Hundetrainertypen ins Spiel.

Surft man auf den Webseiten diverser Hundetrainer, so stolpert man immer wieder über Trainer, die angeben, mit wissenschaftlicher Lerntheorie, klassischer Konditionierung und den Quadranten der Verstärkung und Strafe nichts am Hut zu haben. Sie behaupten, ihre Erziehungsphilosophie funktioniere, weil sie eine besondere Beziehung zu dem Hund aufbauen oder weil sie dem Hund einen gewissen Rang innerhalb einer Rudelstruktur zuordnen.

Die Gesetze der Lerntheorie sind immer am Werk

Mit den Gesetzen der Lerntheorie ist es wie mit dem Gesetz der Schwerkraft. Sie sind IMMER am Werk. Klar kann man sagen: „Ich habe mit physikalischen Gesetzen nichts am Hut! Ich stehe auf der Erde weil ich so eine tolle Beziehung zur Erde habe!“ oder „Ich brauche keine Physik weil ich der Erde so richtig gezeigt habe, wer hier der Boss ist!“ … nur wirken die Mechanismen der Schwerkraft eben trotzdem.

Jede Erziehungsmaßnahme läuft entweder auf eine Konditionierte Emotionale Reaktion (CER) oder auf eine Konsequenz für den Hund hinaus, die sich in die vier Quadranten einordnen lässt.

Nicht jeder Hundetrainer arbeitet gleich

Wir alle lieben unsere Hunde und suchen nach einem „positiv“ arbeitenden Hundetrainer, der irgendwie nett zu unserem Hund ist, aber worauf genau du dich einlässt, erfährst du meist erst, wenn du und dein Hund schon mitten im Training bei diesem Hundetrainer seid.

Im englischsprachigen Raum ist die Hundetrainerszene etwas klarer strukturiert. Obwohl der Beruf des Dog Trainers auch hier nicht geschützt ist, versehen sich doch viele Trainer selbst mit einem Label, welches eine Art Selbstverpflichtung darstellt und mit Hilfe dessen man als Hundehalter zumindest grob abschätzen kann, mit welchen Methoden dieser Trainer arbeitet.

Das Wissen um diese recht klare Einteilung kann dir auch als Hundehalter hier in Deutschland helfen, dir darüber klar zu werden, welche Art des Trainings du dir für deinen Hund wünschst.

Denn wenn sie die Lerntheorie korrekt anwenden, können die folgenden Trainertypen alle deinem Hund ein bestimmtes Verhalten beibringen, doch am Ende läuft alles auf eine ethische Entscheidung hinaus, die du für dich selbst und deinen Hund treffen musst.

Science Based Dog Training – Hundetraining aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse

  1. Balanced Trainers – ausgewogenes Hundetraining: Du denkst vermutlich: „Ha! Balance, das klingt gut!“ Allerdings verbirgt sich dahinter ein Euphemismus, da so genannte Balanced Trainer sich selbst deshalb als balanced bezeichnen, weil sie ALLE vier Quadranten der Lerntheorie anwenden, also auch die positive Strafe, bei der deinem Hund ein Schreck- oder Schmerzreiz hinzugefügt wird, und die negative Verstärkung, welche mit Zwang und Druck arbeitet. Nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche verspürt dein Hund bei dieser Art des Trainings unter anderem auch Angst und Einschüchterung, bzw. Erleichterung, sobald das unangenehme Ereignis vorbei ist. Durch einen auf Angst basierenden CER wird sein Verhalten gehemmt.
  2. Unter den Balanced Trainern tummeln sich auch viele Anhänger der Rudeltheorie, die sich auf überholte und wissenschaftlich widerlegte Rangreduktionskonzepte berufen, nach denen der Hund, genau wie der Wolf in einer Rudelstruktur lebe, bei der der Mensch die Rolle des alles bestimmenden Alphawolfes einnehmen müsse, damit sein Hund ihn akzeptiert. Warum dies Quatsch ist, dein Hund nicht dominant ist und auch du nicht dominant sein musst, erfährst du in meinem Artikel Wildes Deutschland – Von Alphawölfen und Rudeltheorien.
  3. Force-free Trainers – gewaltfreie Hundeerziehung: Diese Trainer verzichten auf positive Strafe (Angst durch Schmerz, Schreck und Einschüchterung) und auf negative Verstärkung (Erleichterung, nachdem etwas Unangenehmes entfernt wurde, z.B. Druck auf den Hintern so lange, bis dein Hund sich setzt oder ein Halsband, das die Luft so lange abschnürt, bis dein Hund aufhört zu ziehen). Force-free Trainers versuchen so lange wie möglich über positive Verstärkung mit deinem Hund zu arbeiten (dein Hund empfindet Freude) und greifen, in einigen Fällen auf negative Strafe zurück (etwas Angenehmes wird entzogen, z.B. Aufmerksamkeit. Bei deinem Hund entstehen Enttäuschung und Frustration). Im Bereich der klassischen Konditionierung setzen sie auf Motivation durch freudige Erwartung (z.B. Klicker- oder Markertraining)
  4. Positive Trainers, R+ Trainers: Positive Trainer haben sich aus ethischen Gründen dafür entscheiden, ausschließlich im Bereich der positiven Verstärkung zu arbeiten. Alle anderen Quadranten der Lerntheorie sind für sie tabu. Ihre Devise ist „Do no harm“ – „Richte keinen Schaden an“, und sie lehnen jegliche aversive Trainingsmethoden ab, die beim deinem Hund ein negatives Gefühl erzeugen. Auch die negative Strafe, bei der deinem Hund etwas Angenehmes entzogen wird, wenn er nicht das erwünschte Verhalten zeigt, ist für sie keine Option.

Für dich stellt sich nun die ethische Frage: Welchen Typ Hundetrainer wünschst du dir für deinen Hund und dich?

Schritt 3: Die drei Fragen der Transparency Challenge

Hundetrainer verpacken ihre Methoden nicht selten in eine Art euphemistischer Marketing-Sprache. Da ist von „Korrekturen“ die Rede, wenn Trainer an der Leine rucken und deinem Hund damit Schmerzen zufügen oder deinen Hund erschrecken, indem sie ihn anzischen. Manche reden von „Ruhe und entschlossener Energie“, die man ausstrahlen solle, obwohl sie deinen Hund in Wahrheit in die Nieren treten oder am Halsband in der Luft baumeln lassen, bis er in erlernter Hilfslosigkeit klein beigibt. Sie erzählen von Wölfen und Rudelstrukturen und dass du für deinen Hund der „Rudelführer“ sein musst und wollen dies erreichen, indem sie deinem Hund den Zugang zu bestimmten Ressourcen und die Befriedigung seiner elementaren Bedürfnisse verwehren.

Lass dich davon nicht blenden!

Erinnere dich an den Anfang dieses Artikels: Egal, in welche Philosophie das Training verpackt ist, jegliches Lernen findet auf der Basis klassischer Konditionierung oder der vier Quadranten statt.

Wie demaskierst du nun also die Marketing-Sprache der Hundetrainer so, dass du ihre Methoden in die Lerntheorie einordnen kannst? Wie wird es dir möglich, Transparenz zu erlangen, um eine qualifizierte Entscheidung fällen können, ob du diesen Weg gehen möchtest?

Die bekannte US -amerikanische Hundetrainerin und Autorin Jean Donaldson hat die Transparency Challenge entwickelt, die aus drei Fragen besteht, mit denen du Trainingsmethoden auf den Grund gehen und dir maximale Transparenz darüber verschaffen kannst, welchen CER und welche der vier Quadranten dein potentieller Trainer anwendet, noch bevor du ihm deinen Hund anvertraust.

Stelle deinem Trainer die folgenden drei Fragen:

  1. Was genau passiert, wenn mein Hund etwas richtig macht?
  2. Was genau passiert, wenn mein Hund etwas falsch macht?
  3. Gibt es weniger invasive und mildere Alternativen zu der Trainingsmethode, die gerade vorgeschlagen wurde, um das Trainingsziel zu erreichen?

Beharre auf einer klaren Antwort so lange, bis du die vorgeschlagenen Methoden durchschaust, ihre Konsequenzen in die vier Quadranten einordnen kannst und dir klar ist, welches Gefühl sie bei deinem Hund hervorrufen. Dann wirst du in der Lage sein, eine qualifizierte Entscheidung zu treffen, ob das jeweilige Training und der jeweilige Hundetrainertyp ethisch für dich und deinen Hund in Frage kommen.

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Über die Autorin

Simone Müller

Simone Müller ist geprüfte Hundetrainerin (ATN) und Eigentümerin der Hundeschule Training4Paws in der Nähe von Heidelberg. Neben Einzelcoachings, Workshops und Seminaren bietet sie als Anglistin auch Übersetzungsdienste für englischsprachige Dozenten zu Hundethemen an. Nähere Infos zum Angebot unter https://www.training4paws.de

Simone ist Mitglied der Trainervereinigung Trainieren satt Dominieren und dem Berufsverband der Pet Dog Trainers of Europe (PDTE).

Folge Training4Paws auf Facebook: https://www.facebook.com/training4paws.de

Über die Künstlerin

Emma Judson

Emma Judson ist eine britische Hundetrainerin, Verhaltensberaterin und Künstlerin, die sich mit ihrer Hundeschule The Canine Consultants auf Verhaltensprobleme im Haus spezialisiert hat. Mit dem von ihr entwickelten Internettrainingsprogramm zur Trennungsangst steht sie englischsprachigen Hundehaltern weltweit zur Verfügung unter https://www.thecanineconsultants.co.uk/

Folge Emma auf Facebook: https://www.facebook.com/yoomanbeanz/

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