Puppy Diaries Teil 1: „Die Bar ist geöffnet!“ oder „Wie gelingt Sozialisierung“

Wie gelingt Sozialisierung?

Welpen müssen in den ersten 12 Wochen ihres Lebens möglichst viele Hunde, Menschen und andere Umweltreize kennenlernen, um gut sozialisiert zu werden!
Jeder kennt diese Aussage, aber was bedeutet sie eigentlich? Was ist eine „gute Sozialisierung“? Simone Müller erklärt dir, was du wissen musst.

Puppy 1

Sozialisierung ist in erster Linie Exposition, nicht Interaktion!

Als Sozialisierung bezeichnet man die Auseinandersetzung mit Umweltreizen wie Menschen, Hunden, Autos, anderen Tieren und sonstigen Dingen, mit denen dein Welpe im täglichen Leben konfrontiert wird, sowie die Gewöhnung an diese Reize.
Sozialisierung bedeutet NICHT, dass dein Welpe mit jedem Menschen, Hund, Tier, etc. in persönlichen Kontakt treten muss, um sich an diesen Reiz zu gewöhnen. Sozialisierung bedeutet in erster Linie, dass er diese Reize wahrnimmt, sich mit ihnen auseinandersetzt und sie als neutral oder positiv bewertet und abspeichert. Lässt du deinen Welpen in dieser Phase jeden anderen Hund oder Menschen persönlich kennenlernen, so wird dein Hund auch später, wenn er erwachsen ist, zu jedem anderen Hund oder Menschen Kontakt aufnehmen wollen. Er wird entweder hinrennen oder, falls dies nicht möglich ist, frustriert in der Leine hängen und bellen. Was also tun?

Isla und die Hühner

Isla ist 12 Wochen alt und mitten in der Phase ihres Lebens, in der ihr Gehirn besonders sensibel und intensiv neue Reize aufnehmen und abspeichern kann. Wir nutzen auf unserem Spaziergang ein Hühnergehege, um diese seltsamen Wesen etwas näher kennenzulernen.
Isla lernt:

Beispielvideo: https://www.youtube.com/watch?v=ubUyjCMTYl4&feature=youtu.be&fbclid=IwAR3pivKkch68SvxJbsZ–ljctRE-eiga7rhCZ3GcoI92B6PeQtz2efyQDaQ

Bar open – Bar closed: Die Spielregeln

Ich nutze dafür das Spiel: „Bar geöffnet – Bar geschlossen“ der amerikanischen Hundetrainerin Jean Donaldson.
Erscheint ein Umweltreiz und sie schaut ihn an, ist die Bar geöffnet. Es gibt Käse. Sie muss in dieser Situation nichts anderes tun, als diesen Reiz wahrzunehmen, denn ich möchte nicht ein bestimmtes Verhalten (wie Sitz oder ein Abwenden vom Reiz) belohnen, sondern Umweltreize, die sie vielleicht gruselig finden könnte „schönfüttern“. Ab jenem Moment, in dem Isla die Hühner wahrnimmt, bekommt sie also Käse, bis die Hühner weg sind. Sobald der Reiz wieder verschwunden ist, ist die Bar geschlossen. Es gibt keinen Käse mehr. Schon bald wird Isla beim plötzlichen Auftauchen von Umweltreizen erwarten, dass etwas Tolles geschieht und diese Reize positiv bewerten.

Puppy 2

Worauf solltest du achten?

Wichtig ist, dass dein Hund den Umweltreiz ruhig wahrnehmen kann, denn das Gefühl (Ruhe oder Aufregung), welches dein Welpe beim Anblick dieses Umweltreizes empfindet, wird mit diesem Reiz verknüpft.
Achte daher darauf, dass:

Trifft einer der oberen Punkte nicht zu, musst du den Abstand zum Umweltreiz vergrößern, bis alle drei Punkte erfüllt sind.
Dieses Training bedeutet nicht, dass dein Welpe andere Menschen und Hunde immer nur aus der Ferne bewundern darf. Suche für deinen Welpen gut sozialisierte Hunde und Menschen ;-) und verabredet euch zu kontrollierten Playdates.
Selbstverständlich kannst du dieses Spiel auch mit älteren Hunden spielen. Ein Hund ist NIE zu alt, um Neues zu lernen!

Bildquelle

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Über die Autorin Simone Müller

Simone Müller ist geprüfte Hundetrainerin (ATN) und trainiert mit ihrer Hundeschule Training4Paws in der Nähe von Mosbach und Ludwigsburg. Neben Einzelcoachings, Workshops und Seminaren bietet sie als Anglistin auch Übersetzungsdienste für englischsprachige Dozenten zu Hundethemen an.

Nähere Infos zum Angebot unter https://www.training4paws.de

Simone ist Mitglied der Trainervereinigung Trainieren satt Dominieren und dem Berufsverband der Pet Dog Trainers of Europe (PDTE).
Folge Training4Paws auf Facebook: https://www.facebook.com/training4paws.de

Quelle: Jean Donaldson: Dogs are from Neptune.

Kommentare

6 Antworten zu „Puppy Diaries Teil 1: „Die Bar ist geöffnet!“ oder „Wie gelingt Sozialisierung““

  1. Elisabeth Luger

    Hi…wollte wissen ob das „bar ist geöffnet“ Training bei meinem 4 jährigen Rüden auch noch Erfolg bringen kann im Bezug auf andere Hunde. Da is er immer so aufgeregt, dass ihn fast der Schlag trifft und dann manchmal nicht mehr vernünftig denken bzw. reagieren kann.

    1. Liebe Elisabeth,

      „die Bar ist geöffnet“ ist eine Technik, die vor allem zur Vorbeugung in Bezug auf unerwünschtes Verhalten geeignet ist. Also dazu, unerwünschte Aufregung gar nicht erst entstehen zu lassen.

      Ist die Aufregung schon da und bereits sehr gefestigt, macht es Sinn, daran ganz gezielt zu trainieren. Wenn dein Hund so aufgeregt ist, dass ihn fast der Schlag trifft, schlagen wir vor, dass du es mal mit „Click für Blick“ als Einstiegstraining versuchst:
      https://www.hey-fiffi.com/leinenaggression-beim-hund/leinenrambo-click-fuer-blick/
      Das ist nicht nur bei Aggressionsverhalten, sondern allgemein bei aufregendem Verhalten geeignet.

      Und im nächsten Schritt dann mit einem erwünschten Alternativverhalten:
      https://www.hey-fiffi.com/leinenaggression-beim-hund/alternativverhalten/
      (das lässt sich auch auf Hundebegegnungen anwenden, auch wenn es hier im Video um Menschenbegegnungen geht :) ).

      Probiers mal aus!

      Liebe Grüße,
      Sonja vom Hey Fiffi-Team

  2. Martin

    Und in zweiter Linie? Kann man auf Interaktionen in den ersten 12 Wochen sorglos verzichten oder gehören sie idealerweise dazu?

    1. Lieber Martin,

      vielen Dank für deine Frage. Leider verstehe ich nicht genau, was du damit sagen möchtest.
      Magst du es vielleicht noch etwas genauer erklären?

      Liebe Grüße,
      Sonja vom Hey Fiffi-Team

      1. Martin

        Reicht es wirklich, wenn ein Welpe andere Hunde nur beobachtet oder können gelegentliche kontrollierte Interaktionen mit ausgesuchten Hunden hilfreich sein?

        1. Lieber Martin,

          natürlich können gut kontrollierte Interaktionen mit ausgesuchten Hunden hilfreich sein :)

          Durch das „Open Bar“-Prinzip lernt der Hund aber auch, dass nicht immer eine direkte Annäherung an einen fremden Hund notwendig ist. Und das ist ebenfalls wichtig.

          Ich hoffe, ich konnte dir helfen.

          Liebe Grüße,
          Sonja

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