Leinenaggression, Teil 2: Was nicht hilft!

Herzlich willkommen zum zweiten Teil unserer Artikel-Reihe „Leinenaggression„. Ihr habt ganz sicher schon mal Tipps von anderen Hundehaltern gehört, wie „Du musst dich nur mal richtig durchsetzen. Das hat bei unserem auch geholfen.“ Warum ihr um manche Tipps einen großen Bogen machen solltet, erklärt euch Hey-Fiffi-Trainerin Daniela Maletzki.

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Bildquelle: Lara Meiburg Photographie

Wie Leinenaggression entstehen kann, wisst ihr ja schon aus unserem ersten Teil. Und nun bist du als (oftmals verzweifelter) Besitzer eines Leinenrambos und auf der Suche nach Hilfe. Die Suche nach Hilfe ist zunächst eine vernünftige und begrüßenswerte Entscheidung, jedoch solltest du dabei genau darauf achten, woher die (vermeintliche) Hilfe kommt. Du hast ganz bestimmt schon den einen oder anderen Tipp von Hundehaltern, dem Nachbarn oder innerhalb der Familie bekommen und vielleicht auch schon ausprobiert. Auch Bücher und DVDs zum Thema Leinenaggression gibt es mittlerweile viele, sowohl gute als auch schlechte. Und auch im TV ist immer wieder zu sehen, wie in nur einer Folge scheinbar schnell und problemlos das Problem Leinenaggression “behoben“ wird.

Vorsicht vor unbedachten Tipps!

Leider basieren viele dieser Tipps und Trainingsmethoden, von denen man liest und hört und die im TV gezeigt werden, darauf, das Verhalten deines Hundes zu unterdrücken und zu hemmen. Und was noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass es leider immer noch viele Hundetrainer gibt, die nach eben diesem Prinzip des Unterdrückens und Hemmens arbeiten. Da wird an der Leine geruckt, dass sich der Hund bald überschlägt. Hunde werden in die Luft (und ihnen sprichwörtlich der Boden unter den Füßen) weggerissen. Der Hund wird angeschrien, angezischt, mit Wasser bespritzt, körperlich bedrängt, mit dünnen Leinen gewürgt, gekniffen, etc. Neben der Tatsache, dass es unfair und unnötig ist, so mit einem Hund umzugehen, sind viele dieser “Trainingsmethoden“ gesundheitsschädlich. Es besteht die Gefahr von Fehlverknüpfungen. Außerdem belasten diese Tipps ganz massiv das Verhältnis zwischen Hund und Besitzer.

Schneller Erfolg durch Hemmen und Unterdrücken?

Das Fatale beim Einsatz solcher Maßnahmen ist der vermeintlich schnelle Erfolg. Viele Hunde lassen sich tatsächlich schnell hemmen und daher sieht es so aus, als wäre das Problem ratzfatz gelöst.
Aber: Das Pöbeln an der Leine ist nur das Symptom eines tiefer liegenden Problems, nämlich der negativen Emotionen Artgenossen gegenüber.
Das bedeutet: Selbst wenn du es schaffst, das Verhalten deines Hundes zu hemmen, betreibst du damit nur Symptombehandlung. Die negativen Emotionen bleiben bestehen, auch wenn sie nicht mehr so offenkundig sichtbar sind. Es ist sogar wahrscheinlich, dass sie sogar noch verschlimmert werden, denn dein Hund macht jedes Mal eine negative bis schmerzhafte Erfahrung, wenn er einen anderen Hund sieht. Und die negative Erfahrung wird durch d i c h ausgelöst!

Mal ganz lerntheoretisch

Außerdem hat die Lerntheorie auch beim Einsatz von Strafe ihre Gültigkeit. Strafe unterliegt gewissen Regeln, wenn du sie richtig anwenden willst. Und nur richtig angewendet funktioniert sie. Blöd ist, dass diese Regeln nur schlecht bis quasi unmöglich einzuhalten sind.
Zu diesen Regeln gehört zum Beispiel:

Traust du dir das zu?

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Hundetrainer

Außerdem musst du dir der möglichen Risiken und Nebenwirkungen des Einsatzes solcher Methoden bewusst sein. Um es einmal ganz klar zu sagen: „Aggressives Verhalten einfach nur wegzustrafen und zu hemmen ist gefährlich!!“ Was passiert, wenn dein Hund durch massive Strafen gelernt hat, dass er Aggression nicht mehr zeigen darf, die Hemmung einmal nicht mehr groß genug ist? Und was lernt der Hund überhaupt, wenn ich ihn in seinem Verhalten immer nur hemme? Im besten Fall lernt er, was er nicht darf. Das alleine ist schon eher unwahrscheinlich, denn dann müsste er sich ja bewusst sein, dass sein Verhalten falsch ist. Wie bereits im ersten Artikel beschreiben, hat das Verhalten für den Hund aber eine Funktion und es bringt ihm Erfolg. Das Hemmen von Verhalten bietet dem Hund also nicht die Möglichkeit zu erlernen, wie er mit einem anderen Verhalten zum Erfolg kommen es besser machen kann!

Das Risiko von Fehlverknüpfungen

Und da sind wir gleich bei einem weiteren Risiko, das nicht unterschätzt werden sollte: Das Risiko von Fehlverknüpfungen. Dein Hund nimmt ja in dem Moment, in dem du auf ihn strafend einwirkst, noch jede Menge mehr wahr, als nur den entgegenkommenden Hund. All das, was dein Hund in dem Moment, in dem du beispielsweise an der Leine ruckst, sieht, hört, riecht und fühlt, kann dadurch für den Hund negativ belegt werden. Möchtest du es wirklich riskieren, dass dein Hund nicht seinen Artgenossen mit dem schmerzhaften Ruck an der Leine verknüpft, sondern das Nachbarskind? Vielleicht erschreckt er sich durch den Wasserstrahl aus der Spritzpistole und hört auf, seinen Artgenossen anzubellen, aber bringt auch gleichzeitig den vorbeiradelnden Postboten mit diesem Schreck in Verbindung. Personen, Situationen, Dinge, Geräusche, Gerüche,… All das kann dein Hund in diesem Moment mit dem Schreck und/oder dem Schmerz den er empfindet verknüpfen.

Einüben unerwünschten Verhaltens

Außerdem ist eine Voraussetzung dafür, dass du deinen Hund hemmen (gerne auch „korrigieren“ genannt) kannst, die, dass dein Hund das aggressive Verhalten erst einmal zeigen muss. Jetzt ist es aber so, dass sich das Verhalten mit jedem Mal, wo es gezeigt und ausgeführt wird, weiter festigen kann. Das ist der Grund dafür, dass das ebenfalls praktizierte „Aushalten“ nicht zum Trainingserfolg führt. Jeder Hund hat (wie wir auch) eine Individualdistanz, die durch viele Faktoren beeinflusst wird und die er braucht, um sich sicher zu fühlen. Wird der Hund nun zwecks Training in eine Situation gebracht, in der diese Individualdistanz wiederholt unterschritten wird, damit er lernt andere Hunde auszuhalten, ist das wenig hilfreich.

Willst du das?

Und zuletzt stellt sich natürlich die Frage: „Willst du so mit deinem Hund umgehen?“ Möchtest du deinen Hund wirklich in Situationen bringen, die ihn überfordern, die er nicht bewältigen kann, um dann an ihm rumzurucken, ihn anzuschreien, mit Wasser zu bespritzen, zu kneifen, etc.? Ich habe großes Verständnis für alle Hundehalter, die es nicht besser wissen, und aus Verzweiflung auch gegen ihr Bauchgefühl zu solchen Maßnahmen greifen. Es gibt aber andere, wirksame und nachhaltige, gewaltfreie Alternativen zu den oben genannten Methoden, um die „Mission Ex-Leinenrambo“ in Angriff zu nehmen. Dazu kommen wir dann im dritten Teil. Jegliches Verständnis fehlt mir allerdings für die Trainerkollegen, die immer noch mit diesen Methoden arbeiten und es eigentlich besser wissen müssten. Ich hoffe, ihr klärt eure Kunden vorher über die Risiken und Nebenwirkungen auf.

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