Du möchtest einen zweiten Hund? Denk nochmal drüber nach. Um es gleich vorwegzustellen: Carolin Hoffmann hat überhaupt nichts gegen Mehrhundehaltung und schon gar nicht gegen Mehrhundehalter. Sie ist ja selbst eine von denen.
Aber: Ihr persönlich wird das kein zweites Mal passieren. Sie will später nur noch Einzelkinder…äh…-hunde, natürlich. Die Gründe dafür sind gewachsen aus ihren persönlichen Erfahrungen, und so versteht sie auch jeden, der sagt „Nie wieder nur einen Hund!“ Dennoch gibt es einiges, das du ganz ehrlich durchdenken solltest, bevor du dir einen Zweit- / Dritt- / Vierthund… für viele Jahre ins Haus holt.
Aufregung ist vorprogrammiert
Der erste Punkt ist: Du solltest dir darüber im Klaren sein, dass jeder weitere Hund definitiv das allgemeine Erregungsniveau aller im Haushalt lebender Hunde steigert, was nicht selten zu Problemen und Stress führen kann. Ein Hund in Einzelhaltung ist ganz häufig sehr viel entspannter in allen Lebenslagen, als wenn er mit einem Artgenossen zusammenleben muss. Jeder Mehrhundehalter hat vielleicht schon einmal beobachtet, wie anders es ist, wenn man mal nur mit einem Hund unterwegs ist. Der Hund zeigt sich häufig viel gechillter, ansprechbarer, konzentrierter. Die Erregungskurve bleibt viel weiter unten, als wenn andere Hunde dabei sind. Mehrere Hunde werden immer durch eine gewisse Gruppendynamik gesteuert, die natürlich nicht immer schlecht sein muss, die aber häufig eben auch unerwünschte Verhaltensweisen verstärkt hervorbringen kann: Beginnt ein Hund an der Leine zu pöbeln, dauert es meist nicht lange, dass die anderen mitpöbeln; bellt ein Hund, bellen bald alle; ist ein Hund aufgeregt, sind bald alle aufgeregt; zerrt einer an der Leine, zerren alle an der Leine, geht einer jagen, rennen die anderen hinterher und so weiter. Man kann natürlich auch darüber hinwegsehen, was viele Menschen bewusst und ganz oft auch unbewusst und unwissend tun. Aber Dauerstress schadet der Gesundheit jedes Lebewesens, und neue Probleme können daraus entstehen – das sollte man nicht vergessen.
Braucht dein Hund einen Artgenossen?
Der zweite Punkt ist – und dieser ist für mich eigentlich der wichtigste: Ganz viele Hunde, die zur Mehrhundehaltung verdonnert werden, wären alleine sehr viel glücklicher. Wir Menschen haben immer eine etwas romantisierende Vorstellung von vielen glücklichen Hunden, die alle in Harmonie unter einem Dach zusammenleben und nicht ohne einander auskommen können. Weil „Hunde brauchen ja unbedingt Artgenossen zum Glücklichsein“. Wenn man sich die Hunde allerdings mal ganz genau anschaut, dann wird man feststellen, dass es bei Hunden nicht anders ist als bei Kindern: Ab und zu Kontakte pflegen, Spaß haben und Rumtollen macht viel glücklicher, als permanent mit dem nervenden Geschwisterchen auskommen und Essen, Spielsachen, Zuwendung und Qualitätszeit mit den Eltern teilen zu müssen.
Für den Hund oder für den Menschen?
Es sind wir Menschen, die meinen, sie müssten unbedingt mehrere Hunde besitzen. Es sind wie immer nicht die Hunde, die über diese wichtige Veränderung in ihrem Leben entscheiden. Und die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich und nicht immer ganz uneigennützig. Der eine braucht mehrere Hunde, weil er züchten oder Hundesport betreiben möchte, und ein Hund dafür nicht ausreicht oder gar taugt. Andere haben ein weiches Herz und wollen möglichst viele Hunde retten und von der Straße holen. Wieder andere teilen die Meinung, ein Hund bräuchte unbedingt einen Artgenossen beim Alleinebleiben oder zum Spielen, denn Hunde müssen doch jemanden zum Spielen haben, oder nicht? Wie viele Hunde aber tatsächlich gar nichts von anderen wissen wollen oder vollumfänglich zufrieden sind, wenn sie den anderen mal kurz beschnüffeln dürfen – das wird ganz häufig hinter der rosa Brille gar nicht erst gesehen. In meinen regelmäßig stattfindenden Social Walks ist immer wieder zu beobachten, dass die Hunde sehr viel lieber einfach nebeneinander herlaufen oder sogar versuchen, sich aus dem Weg zu gehen und zu ignorieren, als miteinander zu toben und zu spielen. Ganz abgesehen davon, dass das, was wir häufig als Spiel interpretieren, sowieso ganz oft eben keines ist, sondern zum Beispiel einfach nur eine recht einseitige Hetzjagd.
Best Buddies
Aber wie gesagt: Es gibt natürlich auch die Hunde, die echte Buddies sind. Die sich brauchen, die sich gegenseitig Sicherheit vermitteln, die Körperkontakt suchen und ein Körbchen miteinander teilen, die in Ruhe und Frieden nebeneinander fressen können, die alle Ressourcen teilen ohne Probleme, die toll zusammen spielen können und immer freundlich sozio-positiv miteinander umgehen. Genau diese Vorstellung hatte ich auch damals, als ich meine Entscheidung traf, einen Zweithund ins Haus zu holen. Mein Ersthund liebt Hunde, er liebt es zu spielen (und das macht er wirklich ganz gut) und zu toben – und so dachte ich, wäre ein zweiter Hund ein tolles Geschenk für ihn (und für mich). So lange, bis ich seinen Blick sah, der sagte: „Und wann geht der nun wieder?“ Mein hundeverrückter Ersthund teilt nämlich ganz und gar nicht gerne sein Frauchen mit einem anderen Hund. Und er findet zwar im Spiel Aufeinander-herumwälzen ganz toll, aber wehe, es stößt ein Hund auch nur aus Versehen an ihn, wenn ihm gerade nicht nach Spielen ist: Dann gibt’s ordentlich Zoff.
Aufregung ist vorprogrammiert!
Hunde sind nicht immer nett zueinander
Und auch mein zweiter Hund, der vom Charakter ganz anders ist als der erste – zu meinem großen Glück nämlich sehr defensiv und deeskalierend und der bisher mit jedem Hund auskam (weil ihm andere Hunde einfach nicht wichtig sind und er ihnen eher aus dem Weg geht) – auch er bräuchte wirklich keinen weiteren Hund im Haus an seiner Seite. Er wäre mit mir und einer Mäusewiese vollkommen glücklich und zufrieden. Er müsste nicht dauernd aufpassen, dem anderen im falschen Moment zu nah zu kommen, er müsste nicht ständig kontrollieren, wo sich der andere aufhält und ob er dort, wo er ist, sicher genug ist. Trotz des vielen Managements, Vorausschauens, eingespielter Rituale und Trainings durch mich wird ihn dieses Gefühl so lange begleiten, bis der ältere irgendwann einmal nicht mehr ist. Denn das musste er bereits als Welpe schmerzhaft lernen – und das sitzt! Und mir tut es leid, dass es immer wieder zu Situationen kommt, in denen sich mein Kleiner vergewissern muss, sicher zu sein. Und selbst wenn er mal für ein paar Tage bei seinem Wurfbruder, der ebenfalls sehr defensiv ist und beide sich wirklich hervorragend vertragen und harmonisieren, zu Besuch ist, sind auch diese beiden froh, wenn sie danach wieder ihre Ruhe voneinander haben.
Sie regeln es nicht einfach unter sich
Ich kenne viele Mehrhundebesitzer und ich kenne nur ganz ganz wenige, bei denen alles so funktioniert, wie das in unserer romantisierenden Idealvorstellung vorkommt. Manche müssen ihre Hunde im Haushalt separieren, manche dürfen nur getrennt füttern, manche müssen einzeln Gassigehen und aufpassen muss man irgendwie immer oder es herrscht die ziemlich kurzsichtige Devise „Die regeln das schon unter sich“, und es ist ihnen egal, ob ein Hund möglicherweise dauerhaft und latent unter dem anderen leidet. Würden die Hunde hingegen einzeln gehalten, verschwände ganz automatisch viel Hintergrundstress, was sich dann wieder positiv auf viele Verhaltensweisen auswirken würde – einfach, weil die Hunde alleine viel entspannter wären.
Kosten
Ein weiterer Grund über mehrere Hunde im Haushalt nachzudenken, den ich an dieser Stelle gar nicht vertiefen möchte, da er eigentlich auf der Hand liegt, sind Aspekte wie sich potentzierende Kosten durch Futter, Spielzeug, Tierarzt, Versicherung etc., mehr Zeitaufwand für Training, ausreichender Lebensraum (je größer das Zuhause, desto weniger Dichtestress entsteht) und die Frage nach einer Unterbringung im Notfall.
Genügend Zeit?
Und ganz zuletzt bleibt noch die eine Frage: Was mache ich, wenn der neue Hund nicht so easy ist wie der alte? Oder sich der alte definitiv nicht mit dem neuen versteht? Oder aber sich beide zwar gut verstehen, aber der neue Hund zu den verhaltensoriginellen gehört, was wiederum den Stresspegel nicht nur bei den anderen Hunden, sondern nicht selten auch bei den Menschen erhöht? Was, wenn man dann plötzlich zwei von der Sorte hat? Denn das weiß man leider niemals vorher. Besteht wirklich die Bereitschaft, ggf. enorme Veränderungen im persönlichen Leben hinzunehmen, um die Dinge (entspannt) zu händeln? Wieviel Einschränkungen in bisherige Lebensgewohnheiten ist man bereit hinzunehmen? Ist eine eventuelle Partnerschaft stark genug, diese nicht immer einfachen Veränderungen mitzutragen?
Und wenn doch eigentlich alles gerade so schön „smooth“ läuft, sollte man dann nicht vielleicht auf den bewährten IT-Spruch setzen „Never change a running system“ und sich für Kopf über Bauch entscheiden?[/fusion_text][fusion_text]
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