Morgens früh um halb sieben. Du bist noch nicht richtig wach und schlurfst, noch koffeinfrei, mit deinem Hund über die Straße zur favorisierten Pinkelstelle. Plötzlich geht die Tür des Nachbarhauses auf und der (!) Erzfeind kommt, gottseidank angeleint, den Gartenweg entlang, sieht deinen Hund und krempelt schon mal die Ärmel hoch. Von Sonja Meiburg
Eigentlich weißt du, was zu tun ist. Dein Trainer hat es dir schon hunderte Male eingebläut. Du kennst die Strategie, die zu deinem Hund passt. Aber immer, wenn du außerhalb der Trainingsstunde einem anderen Hund begegnest, ist alles wie weggeblasen. Du hängst hilflos an der Leine deines schreienden Hundes. Hirn leer, Festplatte gelöscht.
Kommt dir das bekannt vor?
Stress ist Gift für erfolgreiches Hundetraining
Stress lähmt das Gehirn. Du reagierst nur noch instinktiv und kannst nicht richtig nachdenken. Damit du dich wieder richtig konzentrieren kannst und vor allem, damit du das anwenden kannst, was du gelernt hast, ist es wichtig, dein Hirn erst einmal in Arbeitsmodus zu bringen (das gilt übrigens auch für deinen Hund in dieser Situation).
Also ist es Zeit, für eine neue Strategie. Nicht für deinen Hund, sondern für dich!
Deine Strategie: Stehen – Atmen – Schulterzucken
Merke dir: Stehen – Atmen – Schulterzucken
Stehen:
Wenn dir ein anderer Hund unverhofft entgegenkommt und du nicht mehr ausweichen kannst, sorge erstmal für einen stabilen Stand. Wenn du einfach weitergehst, besteht die Gefahr, dass dein Hund dich auf dem falschen Fuß erwischt und du aus dem Gleichgewicht kommst. Das gilt innerlich wie äußerlich. Je besser du stehst, umso besser hast du die Situation im Griff, denn dich wirft so schnell nichts mehr um. Verteile dein Gewicht bewusst auf beide Beine, stemme die Füße fest in den Boden (stell dir vor, dir würden dort Wurzeln wachsen) und geh leicht in die Knie. So bist du gut verankert und kannst die Leine besser halten.
Atmen:
Beginne bewusst, ruhig und tief in den Bauch zu atmen. So bescheißt du auf nette Weise dein Gehirn und damit deinen Körper. Es denkt: „Eigentlich sollte ich total aufgeregt sein und auf Überlebensmodus umschalten. Aber irgendwie atme ich völlig ruhig. Die Situation kann also gar nicht so schlimm sein und ich kann ein wenig entspannen.“ Und wenn du ein klein wenig entspannst, fällt dir auf einmal wieder ein, was dein Trainer dir als Strategie mit auf den Weg gegeben hat. So schlägst du gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Mit den Schultern zucken:
Gut, du bist jetzt in einer doofen Situation. Es ist, wie es ist. Dein Hund brüllt, dir ist es peinlich, du wirst sauer und dein ganzer Morgen ist verdorben. Da kann man sich schon mal aufregen. Muss man aber nicht. Mach dir immer wieder bewusst: Dein Hund macht das nicht, um dich zu ärgern. Er kann in dem Moment nicht anders. Das ist aber nichts Persönliches. Du tust, was du kannst, so wie viele andere Hundehalter mit reaktiven Hunden auch. Besser geht´s in diesem Moment halt nicht. Stell dir vor, dein ganzer Ärger würde von dir abtropfen. Was bleibt dann noch? Ein Hund, der an der Leine herumwirbelt. So what? Gibt Schlimmeres. Das nächste Mal machst du´s besser und reagierst schneller. Kein Grund, sich den Morgen verderben zu lassen. Zuck mit den Schultern und geh weiter, wenn sich die Situation aufgelöst hat. Daheim wartet dein Kaffee.
Natürlich geht das nicht von jetzt auf gleich. Das muss man üben. Besonders den Part mit dem „Nicht-persönlich-nehmen“. Aber stell dir doch mal vor, wieviel leichter dein Leben wäre, wenn du nicht auf jeden Wirbel, den dein Hund macht, mit heftigen Stressreaktionen antworten müsstest.
In diesem Sinne: Geh´s an!
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